Oldboy
Daten
Originaltitel:
Oldboy
Herstellungsland: Südkorea
Erscheinungsjahr: 2003
FSK

ab 18 Jahre

Regie: Park Chan-wook
Darsteller: Choi Min-Sik
Yu Ji-Tae
Kang Hye-Jeong
Ji Dae-Han
...

Old Boy, Old Boy, Old Boy - der Name geht einem nicht mehr aus dem Kopf wenn man den Film gesehen hat. Es gibt die Legende das Quentin Tarantino eine zeitlang mit schwarzem Mantel und Zahnstocher im Mundwinkel herumlief, weil er Chow Yun Fats Rolle als "Mark Gor" in "A Better Tomorrow" so genial fand. Nun ist es an der Zeit mit einem schwarzen Anzug und getünchter Damenbrille herum zu laufen.

Old Boy ist ein Klotz von Film. Ein Film der geradezu über dich drüber läuft. Aber von vorne.

Südkorea ist wohl eines der oder das interessanteste Land momentan wenn es um Filme geht und Regisseur Chan-Wook Park ist einer der talentiertesten der dortigen Filmszene. So talentiert das er auch gleich noch seine eigenen Drehbücher schreibt. Old Boy ist eine freie Adaption des gleichnamigen Manga, der angeblich nicht ganz so derbe sein soll.

Dae-Su Oh ist ein lebenslustiger Mann der auch alles tut um selbst Spaß zu haben. Da vögelt man schon mal verheiratete Frauen oder benimmt sich besoffen dermaßen daneben, daß man auf der Polizeiwache landet. Dort sieht man ihn auch gleich zu Anfang des Films. Und dann ist er auch schon verschwunden. Es ist eine dunkle regnerische Nacht als ein Mann mit einem Regenschirm auf Dae-Su zukommt und dann... nichts. Der lebenslustige Mann wurde entführt. Er lebt nun in einer kargen Wohnung und bekommt sein Essen durch einen Schlitz in der Tür. Nach 6 Monaten ist er verzweifelt und bettelt darum zu erfahren wie lange man ihn noch festhalten möge. Keine Antwort. Am Ende sind es 15 Jahre. Der einzige Kontakt zu anderen Menschen ist in dieser Zeit ein kleiner Fernseher.

Wieder in Freiheit bekommt Dae-Su die Aufgabe gestellt herauszufinden warum er eingesperrt wurde. Ab da beginnt eine Todesspirale und meine kurze Inhaltsangabe endet, denn man sollte nicht zu viel wissen bevor man den Film sieht.

Old Boy ist ein Film, der mit einer so unglaublichen Selbstsicherheit daher kommt, daß man sich ihm unmöglich entziehen kann. Kameraführung, Schnitt, Farben - hier paßt alles wie die Faust aufs Auge. Gelegentlich darf man sogar lachen, bevor man wieder in den Abgrund der Story gerissen wird. Kurzum hier gibt es alles was einen guten Film ausmacht.

Ausdrücklich erwähnt werden muß Min-Sik Choi als Dae-Su, denn der spielt wirklich gross auf. Vergleiche mit deNiro in "Taxi Driver" oder Nicholson in "Shining" wirken hier angemessen. Glücklicherweise sind auch der Gegenspieler Ji-Tae Yu und der weibliche Part, übernommen von Hye-Yeong Kang, exzellent besetzt und bilden somit ein Gegengewicht zum Leinwand sprengenden Choi.

Am Ende bleibt ein nachdrückliches Gefühl, bei dem zumindest ich mir gesagt habe: Was für ein Glück das Chan-Wook Park diesen Film gemacht hat. Was für ein Glück das in Südkorea solch ein fruchtbares Filmklima herrscht. Die grundlegende Idee ist brilliant und man hätte das alles auch im üblichen Storyeinheitsbrei untergehen lassen können. Man denke nur an die Hollywoodmethode 15-20 Autoren, dort genannt script-doctors, an einem Drehbuch rumfummeln zu lassen, bloß weil irgendwelche Produzenten glauben es müsse etwas gerichtet werden. Davon abgsehen glaube ich sowieso nicht das ein amerikanischer Produzent hier Geld dazu gegeben hätte.

Ich hoffe wirklich das Old Boy ein Film wird der asiatisches Kino auf breiter Ebene ins deutsche Kino bringt. Es wird höchste Zeit!

*Mi dem Grand Prix der Jury in Cannes ausgezeichnet*

Sascha Thau

Einigen dürfte es auch schon aufgefallen sein: so ein DVD-Player bietet eine kleine Messmöglichkeit bezüglich der Qualität eines Film - das Zählwerk! Der Blick wandert beim Film-Genuß beiläufiger auf den Counter, als das nervige Nesteln an der Armbanduhr im Kino-Dunkel. Nur wenige Filme schaffen es bei mir den Blick über 20 Minuten lang auf den Bildschirm zu verankern. Die "Oldboy"-DVD hält nun die neue Bestzeit - mit satten 55 Minuten!

Der Plot ist dermaßen simpel und doch interessant ausgelegt, dass man schon in den ersten Minuten fasziniert ist: Dae-Su Oh wird 15 Jahre lang - offenbar grundlos - in ein karges Zimmer eingesperrt. Als er in die Freiheit entlassen wird hat er fünf Tage Zeit herauszufinden, warum man ihn gefangen hielt...

Park Chan-wook bietet Kino, wie man es tatsächlich nur Asien zu traut. Eine etwas kauzige Erzählweise, die leicht an David Lynch und zuweilen sehr an Takeshi Miike erinnert, bietet eine abwechslungsreich und pointiert vermittelte Geschichte, die immer wieder durch verschrobene Einlagen aufgebrochen wird, ohne jedoch das Ziel des Films aus den Augen zu verlieren. Dem Finale steht man dann allerdings etwas zwiespältig gegenüber: die Inszenierung ist über jeden Zweifel erhaben, der Twist ist geschickt und hat Gänsehaut-Flair - daher möchte ich an dieser Stelle auch kein Wort über die Auflösung verlieren - aber wenn man den Film erstmal verdaut hat bleibt der fahle Nachgeschmack einiger recht bequemer Erklärungen, mit der die Wendung der Geschichte definiert wird. Trotzdem mindert das in keinster Weise die exzellente Qualität des Films! Viele kleine Kunststücke prägen den Film, wie z.B. die gewisse Melancholie in den harten Szenen des Films. Dae-Su Oh widmet sich in der Gefangenschaft viel Zeit dem körperlichen Training. Später muss er sich gegen zehn bis fünfzehn Mann gleichzeitg zur Wehr setzen, die Regie bietet ihm jedoch keinen "Kill Bill"-Rachefeldzug mit einer ausgefeilten Kampfchoreographie, Kamera-Extravaganzen oder einem hektischen Schnitt. Es ist nicht das Training, das Dae-Su Oh gegen die Angreifer bestehen lässt - es ist seine pure Verzweiflung. Mit einer einzigen mehrminütigen Kamerafahrt dokumentiert Park Chan-Wook den deprimierenden Kampf, ein trauriges und dumpfes Aufeinandereinprügeln und doch offenbart sich in diesen Momenten am nachhaltigsten der maßlose Zorn und absolute Trostlosigkeit der Hauptfigur, die im Finale ins fast schon Surreale gipfelt. Hauptdarsteller Choi Min-Sik spielt Dae-Su Oh dabei trotzdem immer glaubhaft - etwas entrückt und optisch ein wenig an einen Superhelden-Bösewicht erinnernd wird hier von ihm ganz großes Schauspiel geboten! Choi Min-Sik spielt sich die Seele aus dem Leib - in den ruhigen, unterdrückten Momenten mit der gleichen Intensität wie im Finale, in der asiatypisches Overacting sein ganzes Potential entfesseln kann.

Kurzum - ein toller Film! In seiner Perfektion werden kleinste Ungereimtheiten zwar besonders deutlich, aber der Gesamteindruck bleibt bestehen und Korea verwöhnt uns mal wieder mit einem wirklich aussergewöhnlichen Film und lässt amerikanisches sowie hiesiges Kino erschreckend rückständig erscheinen! Hollywood hat ihn sich natürlich auch schon einverleibt und Gerüchten zufolge hat Nicolas Cage großes Interesse an der Hauptrolle. Und jeder, der den Film gesehen hat, wird unbekümmerkt behaupten können: zum Glück gibt's im Kino kein Zählwerk im Blickfeld...

Karsten Schreurs

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