Wer
hätte jemals gedacht, dass man den Klappentext eines Tarantino-Films
mit einem Satz zusammenfassen könnte: Uma Thurman nimmt Rache!
Ganz so einfach ist der Sachverhalt natürlich nicht - "die
Braut" alias "Black Mamba" hat schon allen Grund, mächtig
angepisst zu sein, wenn der Ex-Lover plötzlich mit einem Killer-Kommando
die Hochzeit stürmt, die Braut mit einem Kopfschuss niederstreckt
und sie um das ungeborene Kind beraubt. Einen Schnitt später steht
das zermanschte Etwas quitschfidel auf der Matte ihres ersten Peinigers
und beginnt systhematisch, ihre "Kill Bill" abzuarbeiten.
Nachdem man erstmal völlig verdaddert aus dem Kino-Dunkel taumelt
und sich dem Achterbahn-Reflex - nochmal anstellen - entzogen hat, braucht
es eine Weile, bis man wieder seinen Augen trauen möchte. Das Aufheulen
in den Medien über das Gewalt-Opus "Kill Bill" hallt noch
im Ohr. Einen unbekümmerten Umgang mit Brutalitäten aller Art
muss man eingestehen, ist mir doch selten ein Film im Cinemaxx untergekommen,
der es nicht nur bei eruptiven Ausbrüchen von Gewalt belässt,
sondern stringent und konsequent das Blutvergießen zum Stil-Element eines
ganzen Films macht und so den Film zu einer einzigen Groteske mutieren
lässt. Den Großteil des Publikums wird das nicht erschrecken:
wo Tarantino draufsteht, ist auch Tarantino drin. Quentin gibt sich in
dem Spaghetti-Western-Eastern-Trash-Mix vollkommen dem Zitat hin und stellt
das Handwerk über die natürlich etwas dürftige Story. Sein
Ansatz geht wunderbar auf. Die verschachtelte Erzähl-Struktur ist
zwar nicht so tricky wie in "Pulp Fiction" und wirkt zuweilen
auch etwas wie ein Taschenspieler-Trick, um den Zuschauer bei Laune halten
und eine gewisse Konfusion zu verstreuen. Die Regie arbeitet dabei stets
respekt- und liebevoll mit den Merkmalen des Martial-Art-Kinos und gibt
die asia-typische filmische Extrovertierheit nie der Lächerlichkeit
preis. Quentin weiß, dass gutes Kung-Fu-Cinema eine große Kunst
ist und verrät es nicht dadurch, dass er die Stuntmen durch CGIs
ersetzt oder sonstige High-Tech-Kapriolen zum Aufpeppen verwendet - hier
wird noch ehrlich gearbeitet! Erfrischend bodenständig wird daher
gekämpft, geblutet und natürlich auch gespielt, denn das Ensemble
kann sich sehen lassen! Auch wenn Michael Madsen viel zu kurz in Erscheinung
tritt und Uma Thurman wie die männlichen Kollegen Bronson oder Eastwood
wenig Oscar-reifes auffahren müssen, ist der Film bis in die Nebenrollen
- Tarantino as usual - exzellent besetzt. Daryl Hannah möchte man
trotz ihres kurzen Auftritts wieder viel öfter auf der Leinwand sehen,
und Lucy Liu gibt die Hardcore-Version der Zicke aus "Alley McBeal".
Klischees in der Darstellung werden dabei nicht umschifft, sondern mit
Wonne und gekonnt auf ihnen geritten - herrlich!
Die Kamera-Arbeit ist eine genauere Betrachtung wert: zum Großteil
hat sich Quentin wohl wieder an dem komplizierten Film-Material, das er
schon in "Pulp Fiction" verwendete, ausgetobt, welches zwar
satte Farben garantiert, sich aber im Handling mit dem Licht als sehr
aufwendig erweist. Entsprechend durchdacht und konzipiert sind die Einstellungen.
Quentins Hang zu einer sehr klaren und graphischen Bildgestaltung findet
sich auch im Schnitt wieder, die sich keinen Firlefanz leistet und immer
punktgenau sitzt. Unnötiges Beiwerk wird konsequent vermieden, was
die Bildsprache wunderbar eingängig und ästhetisch macht. Auch
wenn sich Quentin ausgiebig am Western und Eastern orientiert, bleibt
die Optik ständig dem eines Tarantino-Films vorbehalten. Einen solchen
Mix so homogen zu gestalten ist schon bemerkenswert. Einen kurzen Ausbruch
leistet sich der Film in der Anime-Sequenz, die mit einfach tollen Zeichnungen
und einer für Anime-Verhältnisse ungewöhnlich vitalen Kameraführung
aufwartet. Zuweilen wird da wohl der ein oder andere Real-Part nachgezeichnet
worden sein, trotzdem ist dieser Akt mein heimlicher Liebling im gesamten
Film. Insgesamt entpuppt sich Tarantino als extrem versierter Action-Regisseur,
der sich wohltuend von Blendwerk-Eskapaden distanziert und auch vor ausgiebigem
Gore-Einsatz nicht zurückschreckt.
Quentins - mir zuweilen etwas befremdlicher - Musik-Geschmack kommt hier
in diversen Szenen voll zum Tragen und zaubert mit ausgewählten Bildern
in sekundenschnelle Gänsehaut auf Kommando. Egal ob Panflöten-Gedudel,
Disco-Pop oder Synthie-Geklimper - welches zuweilen vorrängig einer ironischen
Brechung dienlich ist - bilden Optik und Ton eine Einheit, die man im
Zeitalter des Hans-Zimmer-Einheitsschmus nicht genug würdigen kann.
Ein filmischer Meilenstein vom Format eines "Pulp Fiction" ist
nicht gelungen - dafür ist KB zu sehr Zitat, nicht innovativ genug
und glänzt vorrangig "nur" mit technischer Perfektion.
Trotzdem ist "Kill Bill" ein Fun-Movie auf höchstem Niveau
geworden! Welcher Film katapultiert seine Zuschauer ins Teenie-Alter und
verwandelt die Abspul-Fabrik in ein versifftes Bahnhofs-Kino, wo man sich
mit kindlicher Freude und ungehemmt an einer Orgie der Gewalt ergötzt,
das Popcorn im Mund, Augen gebannt auf der Leinwand und den mahnenden
Zeigefinger der Mutter ganz weit im Hinterkopf...
Karsten Schreurs
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Zu Teil 1 sagte
Larry Young, der Oberboss von Ait/PlanetLar, dass "Quentin Tarantino
seine Grossmutter aus dem Grab gezerrt und sie vor unseren Augen gevögelt
hat". Nun denn, so krass würde ich das nicht ausdrücken,
muss allerdings eingestehen, dass hier schon ein wenig in der Öffentlichkeit
onaniert wurde. Ja, Quentin, wir wissen ja, dass du die Handlung von 1,7 Millionen
Trashfilmen wie ein Schwamm in dich aufgesogen hast. Kein Grund, uns ständig
dein 20-cm-Ding zu zeigen.
Ich konnte
ja nie verstehen, warum sich die Leute über "Reservoir Dogs"
so aufregen. Das lag aber daran, dass ich einen Großteil der Filme nicht
kannte, aus denen er zusammen gesetzt ist. Bei "Kill Bill 1" ist das anders.
Der wildert sozusagen in meinem Gebiet, dem asiatischen Film. Was für
den einen nie da gewesen und superoriginell ist, war für mich eher
"Okay, jetzt zitiert er den und den, bitte vorspulen", durchsetzt
mit kleinen eigenen Ideen, die das Ganze miteinander verknüpft haben.
Meine Meinung dazu ist dann auch eher ambivalent bis unbegeistert.
Was ist "Kill
Bill 1"? Man sieht Frauen mit Schwänzen - nicht, dass sie in Wirklichkeit
welche hätten - aber sie labern und benehmen sich wie der big bad
motherfucker Samuel L. Jackson in "Pulp Fiction", und das ständig.
Es nervt fast schon. Frauen als Proleten - DIE Kinoinnovation 2003. "Kill
Bill 1" vergeht sich in Stil und Gewalt und wirkt ziemlich emotionslos,
nie fiebert man mit, nie wird man genötigt, mitzufiebern. Auch wenn
man weiß, dass eine Figur überleben wird, kann man sie in Situationen
bringen, in der man wirklich mitzittert (das macht Teil 2 dann wieder
wett). Am Ende hat man eine Art Film, bestehend aus verschiedenen extrem
stilisierten Videoclips. Dieser Stilisierungswahn nervt manchmal wirklich,
aber in der nächsten Sekunde will man dann wieder auf die Knie fallen,
weil voll ins Schwarze getroffen wurde. Wie gesagt: ambivalent, dieser
Film.
Sascha
Thau
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