Kill Bill I [2 Besprechungen]
Daten
Originaltitel:
Kill Bill I
Herstellungsland: USA
Erscheinungsjahr: 2003
FSK

ab 18 Jahre

Regie: Quentin Tarantino
Darsteller: Uma Thurman, David Carradine, Lucy Liu, Daryl Hannah ...

Wer hätte jemals gedacht, dass man den Klappentext eines Tarantino-Films mit einem Satz zusammenfassen könnte: Uma Thurman nimmt Rache!

Ganz so einfach ist der Sachverhalt natürlich nicht - "die Braut" alias "Black Mamba" hat schon allen Grund, mächtig angepisst zu sein, wenn der Ex-Lover plötzlich mit einem Killer-Kommando die Hochzeit stürmt, die Braut mit einem Kopfschuss niederstreckt und sie um das ungeborene Kind beraubt. Einen Schnitt später steht das zermanschte Etwas quitschfidel auf der Matte ihres ersten Peinigers und beginnt systhematisch, ihre "Kill Bill" abzuarbeiten.
Nachdem man erstmal völlig verdaddert aus dem Kino-Dunkel taumelt und sich dem Achterbahn-Reflex - nochmal anstellen - entzogen hat, braucht es eine Weile, bis man wieder seinen Augen trauen möchte. Das Aufheulen in den Medien über das Gewalt-Opus "Kill Bill" hallt noch im Ohr. Einen unbekümmerten Umgang mit Brutalitäten aller Art muss man eingestehen, ist mir doch selten ein Film im Cinemaxx untergekommen, der es nicht nur bei eruptiven Ausbrüchen von Gewalt belässt, sondern stringent und konsequent das Blutvergießen zum Stil-Element eines ganzen Films macht und so den Film zu einer einzigen Groteske mutieren lässt. Den Großteil des Publikums wird das nicht erschrecken: wo Tarantino draufsteht, ist auch Tarantino drin. Quentin gibt sich in dem Spaghetti-Western-Eastern-Trash-Mix vollkommen dem Zitat hin und stellt das Handwerk über die natürlich etwas dürftige Story. Sein Ansatz geht wunderbar auf. Die verschachtelte Erzähl-Struktur ist zwar nicht so tricky wie in "Pulp Fiction" und wirkt zuweilen auch etwas wie ein Taschenspieler-Trick, um den Zuschauer bei Laune halten und eine gewisse Konfusion zu verstreuen. Die Regie arbeitet dabei stets respekt- und liebevoll mit den Merkmalen des Martial-Art-Kinos und gibt die asia-typische filmische Extrovertierheit nie der Lächerlichkeit preis. Quentin weiß, dass gutes Kung-Fu-Cinema eine große Kunst ist und verrät es nicht dadurch, dass er die Stuntmen durch CGIs ersetzt oder sonstige High-Tech-Kapriolen zum Aufpeppen verwendet - hier wird noch ehrlich gearbeitet! Erfrischend bodenständig wird daher gekämpft, geblutet und natürlich auch gespielt, denn das Ensemble kann sich sehen lassen! Auch wenn Michael Madsen viel zu kurz in Erscheinung tritt und Uma Thurman wie die männlichen Kollegen Bronson oder Eastwood wenig Oscar-reifes auffahren müssen, ist der Film bis in die Nebenrollen - Tarantino as usual - exzellent besetzt. Daryl Hannah möchte man trotz ihres kurzen Auftritts wieder viel öfter auf der Leinwand sehen, und Lucy Liu gibt die Hardcore-Version der Zicke aus "Alley McBeal". Klischees in der Darstellung werden dabei nicht umschifft, sondern mit Wonne und gekonnt auf ihnen geritten - herrlich!

Die Kamera-Arbeit ist eine genauere Betrachtung wert: zum Großteil hat sich Quentin wohl wieder an dem komplizierten Film-Material, das er schon in "Pulp Fiction" verwendete, ausgetobt, welches zwar satte Farben garantiert, sich aber im Handling mit dem Licht als sehr aufwendig erweist. Entsprechend durchdacht und konzipiert sind die Einstellungen. Quentins Hang zu einer sehr klaren und graphischen Bildgestaltung findet sich auch im Schnitt wieder, die sich keinen Firlefanz leistet und immer punktgenau sitzt. Unnötiges Beiwerk wird konsequent vermieden, was die Bildsprache wunderbar eingängig und ästhetisch macht. Auch wenn sich Quentin ausgiebig am Western und Eastern orientiert, bleibt die Optik ständig dem eines Tarantino-Films vorbehalten. Einen solchen Mix so homogen zu gestalten ist schon bemerkenswert. Einen kurzen Ausbruch leistet sich der Film in der Anime-Sequenz, die mit einfach tollen Zeichnungen und einer für Anime-Verhältnisse ungewöhnlich vitalen Kameraführung aufwartet. Zuweilen wird da wohl der ein oder andere Real-Part nachgezeichnet worden sein, trotzdem ist dieser Akt mein heimlicher Liebling im gesamten Film. Insgesamt entpuppt sich Tarantino als extrem versierter Action-Regisseur, der sich wohltuend von Blendwerk-Eskapaden distanziert und auch vor ausgiebigem Gore-Einsatz nicht zurückschreckt.
Quentins - mir zuweilen etwas befremdlicher - Musik-Geschmack kommt hier in diversen Szenen voll zum Tragen und zaubert mit ausgewählten Bildern in sekundenschnelle Gänsehaut auf Kommando. Egal ob Panflöten-Gedudel, Disco-Pop oder Synthie-Geklimper - welches zuweilen vorrängig einer ironischen Brechung dienlich ist - bilden Optik und Ton eine Einheit, die man im Zeitalter des Hans-Zimmer-Einheitsschmus nicht genug würdigen kann.

Ein filmischer Meilenstein vom Format eines "Pulp Fiction" ist nicht gelungen - dafür ist KB zu sehr Zitat, nicht innovativ genug und glänzt vorrangig "nur" mit technischer Perfektion. Trotzdem ist "Kill Bill" ein Fun-Movie auf höchstem Niveau geworden! Welcher Film katapultiert seine Zuschauer ins Teenie-Alter und verwandelt die Abspul-Fabrik in ein versifftes Bahnhofs-Kino, wo man sich mit kindlicher Freude und ungehemmt an einer Orgie der Gewalt ergötzt, das Popcorn im Mund, Augen gebannt auf der Leinwand und den mahnenden Zeigefinger der Mutter ganz weit im Hinterkopf...

Karsten Schreurs

Zu Teil 1 sagte Larry Young, der Oberboss von Ait/PlanetLar, dass "Quentin Tarantino seine Grossmutter aus dem Grab gezerrt und sie vor unseren Augen gevögelt hat". Nun denn, so krass würde ich das nicht ausdrücken, muss allerdings eingestehen, dass hier schon ein wenig in der Öffentlichkeit onaniert wurde. Ja, Quentin, wir wissen ja, dass du die Handlung von 1,7 Millionen Trashfilmen wie ein Schwamm in dich aufgesogen hast. Kein Grund, uns ständig dein 20-cm-Ding zu zeigen.

Ich konnte ja nie verstehen, warum sich die Leute über "Reservoir Dogs" so aufregen. Das lag aber daran, dass ich einen Großteil der Filme nicht kannte, aus denen er zusammen gesetzt ist. Bei "Kill Bill 1" ist das anders. Der wildert sozusagen in meinem Gebiet, dem asiatischen Film. Was für den einen nie da gewesen und superoriginell ist, war für mich eher "Okay, jetzt zitiert er den und den, bitte vorspulen", durchsetzt mit kleinen eigenen Ideen, die das Ganze miteinander verknüpft haben. Meine Meinung dazu ist dann auch eher ambivalent bis unbegeistert.

Was ist "Kill Bill 1"? Man sieht Frauen mit Schwänzen - nicht, dass sie in Wirklichkeit welche hätten - aber sie labern und benehmen sich wie der big bad motherfucker Samuel L. Jackson in "Pulp Fiction", und das ständig. Es nervt fast schon. Frauen als Proleten - DIE Kinoinnovation 2003. "Kill Bill 1" vergeht sich in Stil und Gewalt und wirkt ziemlich emotionslos, nie fiebert man mit, nie wird man genötigt, mitzufiebern. Auch wenn man weiß, dass eine Figur überleben wird, kann man sie in Situationen bringen, in der man wirklich mitzittert (das macht Teil 2 dann wieder wett). Am Ende hat man eine Art Film, bestehend aus verschiedenen extrem stilisierten Videoclips. Dieser Stilisierungswahn nervt manchmal wirklich, aber in der nächsten Sekunde will man dann wieder auf die Knie fallen, weil voll ins Schwarze getroffen wurde. Wie gesagt: ambivalent, dieser Film.

Sascha Thau

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