In einer Mischung
aus "Quiet Earth" und einem Zombie-Film Deiner Wahl lässt
der "Trainspotting"/"Beach"-Regisseur Danny Boyle seinen Hauptdarsteller
Cillian Murphy durch ein augenscheinlich menschenleeres London irren. Nach
den titelgebenden 28 Tagen wurde der Großteil der Bevölkerung
mit einem "Pure Rage"-Virus infiziert, der sie entgegen des üblichen
Zombie-Klischees nicht zu debilen und ungelenk wankenden Schiessbuden-Figuren
mutieren lässt - die spärlich gesäten "Überlebenden"
werden von höchst agilen und agressiven Derwischen gehetzt.
Das ist nicht die einzige Konvention, die Boyle im Verlauf des Film brechen
wird: Selena (Naomie Harris) entledigt sich unvermittelt und ohne mit der
Wimper zu zucken einem sorgsam aufgebauten Sympathie-Charakter, auch vor
kleinen Kindern kennt keiner Skrupel. Und wenn im Finale des Films den rettenden
Soldaten die letzten beiden überlebenden Frauen als Sold versprochen
wird, sind Boyle und "Dawn of the Dead"-Veteran Romero auf einer
Wellenlänge: der Mensch ist ein Tier und "Menschlichkeit"
ein dehnbarer Begriff.
Womit der grimmige und kompromisslose Unterbau des Films auch schon
beschrieben wäre; aber auch der Zuschauer wird nicht geschont: Boyle
entwickelt mit Digi-Cam und High-Shutter-Action-Szenen eine eigene, in sich
geschlossene Ästhetik, die sich nicht nur wohltuend von der durchgelutschten
gängigen Hollywood-Optik abhebt, sondern auch Raum für höchste
Effektivität bietet. Boyle baut Spannungskurven und Schock-Momente
derart klischeehaft auf, dass man in ihrer Eingänigkeit von ihr regelrecht
überrumpelt wird. Ein ganz großer Verdienst ist der Beweis von
Kameramann Anthony Dod Mantle, dass Digi-Cam nicht zwingend einen amateurhaften
Touch haben muss. Verspielte Einstellungen, gekonnte Licht & Schatten-Effekte,
übersteuerte Sound-Effekte und ein lebendiger Schnitt erzeugen die
nötige düstere Vision, die sogar zuweilen recht "punkig"
wirkt.
Die Darsteller schlagen sich wacker - Cillina Murphys Metamorphose vom verschreckten
Zauderer zum rasenden Berserker entspricht der von DeCaprios Charakter aus
"The Beach", auch die entgegengesetzte Entwicklung von Selena
will nicht immer so recht überzeugen, trotzdem fügen sich die
beiden Charaktere gut in die Geschichte und in den Grundton des Films ein.
Schade, dass Boyle im Finale weniger konsequent wird und in ein Happy End
abglitscht, das einfach deplatziert wirkt. Ferrars "Bodysnatcher"
wäre da ein schönes Vorbild gewesen...
Nichtsdestotrotz ein "schöner" Film! Endlich mal wieder ein
mutiger & anspruchsvoller Horror-Thriller für Erwachsene!
Karsten
Schreurs
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