"Wenn
es jemals eine Empfehlung gab, dann diese." - Die Macher des
Fantasy Filmfests waren ergriffen von "High Tension".
Hier ist der Filmtitel Programm: Der düstere und brutale Horror-Thriller
der Extraklasse fasziniert mit intensiven und hochspannenden Szenen.
Regisseur Alexandre Aja dringt tief in die Psyche des Zuschauers
und hinterlässt lähmendes Entsetzen.
Die
beiden eng befreundeten Studentinnen Marie (Cécile De France)
und Alex (Maïwenn Le Besco) fahren aufs Land, um ihre Semesterferien
bei Maries Familie zu verbringen. Als die Nacht hereinbricht, schleicht
sich Unheil in die Idylle: Ein bestialischer Fremder (Philippe Nahon)
dringt in das Haus ein. Er tötet alles, was ihm in den Weg
kommt, und hinterlässt eine blutige Spur. Ein erbarmungsloser
Kampf um Leben und Tod beginnt.
Brutal
und intelligent inszeniert Regisseur Alexandre Aja diesen erstklassigen
Genrefilm: Langsam baut sich eine unheimliche Stimmung auf, die
immer düsterer und dunkler wird. Die Gewaltszenen sind gnadenlos
und dennoch realistisch umgesetzt. Für eine beklemmende Atmosphäre
sorgen perfekte Kameraeinstellungen und der Schnitt. Brillant in
diesem Meisterwerk: die Hauptdarsteller Cécile De France
("In 80 Tagen um die Welt", "L'Auberge Espangnol"),
Maïwenn Le Besco ("Das fünfte Element", "Leon")
und Philippe Nahon ("Pakt der Wölfe", "Die purpurnen
Flüsse").
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Einen
Drehbuchpreis wird der Horror-Thriller aus Frankreich nicht gewinnen,
trotzdem kursiert diese "Splatter-Granate" schon seit
geraumer Zeit in diversen Foren und einschlägigen Magazinen,
und selten wurde sich so einhellig begeistert über einen eigentlich
höchst simplen 08/15-Slasher geäußert. Ich war ebenfalls
sehr interessiert, mal abseits von Highschool- und sonstigen Teenie-Massakern
ein paar neue Impulse im ausgelutschten Genre zu erleben. Auf dem
Cover der thailändischen DVD-Version wuchtet eine schmolllippige
und kurzhaarige Französin im blutbesudeltem T-Shirt eine kindgroße
Flex durch einen Wald - eigentlich Innovation genug...
In dieser Beschränkung auf die Story-Essenz liegt auch einer
der Trümpfe des Films. Regisseur Aja ist sich seinem Genre-Publikum
bewusst, hält sich also gar nicht erst mit Hintergründen,
Einführungen oder detaillierten Figuren-Zeichnungen auf, sondern
legt schon zu Beginn ein extrem hohes Tempo vor - und weiss dieses
sogar zu halten! Der Fokus liegt auf einer spartanischen, aber höchst
effektiven Inszenierung, die selbst aus den einfallslosesten Killer-jagt-Opfer-Situationen
noch ein Höchstmaß an Spannung herauskitzelt und nie
Langeweile aufkommen lässt.
Dazu trägt eine sehr ausgeklügelte und reduzierte Soundkulisse
bei: es gibt wenig Dialoge, und über weite Strecken ist der
Film schlicht stumm, bis auf markant überhöhte Geräuschfetzen
wie das keuchige Atmen des Killers, das Lederknarzen seiner Kleidung
etc. Diese uns allen vertraute Geräusche erzeugen eine ungewohnte
"Nähe" zum Täter, während die Situation
des Opfers
über treibende und variierende (Techno-)Rhythmen gedeutet wird,
die oft an einen hyperventilierenden Herzschlag erinnern. Man hört
sich quasi selbst und mehr braucht es nicht, um die Spannung bis
zum Anschlag zu peitschen.
Auch die Kamera-Arbeit ist ungewöhnlich erlesen, eindringlich
und detailversessen. Sie erinnert zuweilen etwas an die ebenfalls
ansehnliche Optik von Nispels "Texas Chainsaw Massacre"-Remake,
ist im Vergleich zu HT allerdings roher und weniger kalkuliert...so
bleiben Tit-Shots und schmeichelnde CloseUps eher die Ausnahme.
Und es ist weiß Gott nicht so, dass sich die Hauptdarstellerin dazu
nicht eignen würde - ihre burschikose und doch sehr feminine
Erscheinung ist mal eine sehr angenehme Abwechslung von den dahingemeuchelten
Ami-Models. Ihr intensives Schauspiel stemmt den gesamten Film und
macht eine Identifikation mit ihr leicht - man(n) kann eigentlich
nicht umhin, mit ihr mitzufiebern.
Zum
Negativen: der Story-Twist am Ende ist schlicht dämlich! Er
nimmt dem Film viel Stringenz und Emotion, weil er plötzlich
tricky daher kommen möchte, zuviel erklären muss und der
Twist dabei nicht mal sonderlich originell ist. Dazu kommen noch
einige wirklich dicke Logik-Patzer, die zwar teilweise mit der Wendung
entschuldigt werden könnten, sich aber im Filmverlauf leicht
störend bemerkbar machen.
Zum
Finale wird also zuviel verschenkt, um den Film zum absoluten Meisterwerk
aller Klassen zu erklären. Und natürlich ist es nahezu
unmöglich in diesem Genre durch Innovationen zu glänzen,
so ist auch hier der Geist der großen Vorbilder spürbar,
die einem Gefühl vermitteln, zuweilen nur eine Frischzellenkur
alter Lieblinge zu bestaunen. William Lustigs "Maniac"
- den ich an dieser Stelle für alle HT-Fans vorbehaltlos empfehlen
möchte - sticht am markantesten als "Hommage" heraus,
so wurde z.B. die eindringliche asthmatische Atmung als Sounduntermalung
schon in den 80ern verwendet und man mag kaum glauben, dass die
Sequenz in der Tankstellen-Toilette zufällig fast deckungsgleich
mit einer ähnlichen Szene in Lustigs Klassiker inszeniert wurde,
aber das fällt nicht wirklich ins Gewicht...
Allerdings
darf auch nicht unerwähnt bleiben, dass die deutsche Verleih-Version
geschnitten ist! Verglichen wurde die deutsche Version mit der ungeschnitten
thailändischen Version und es fehlen einige Sekunden. Dieser
Umstand führte in diversen Internet-Foren zu teilweise unwürdigen
Diskussionen, denn man sieht die Qualität dieses Films ungerne
auf wenige Sekunden beschränkt. Es besteht absolut kein Zweifel,
dass ein nachhaltiger Eingriff von unbeteiligter Stelle in eine
kreative Arbeit eine grenzenlose Unverschämtheit darstellt.
Und es ist in keinster Weise zu rechtfertigen, dass erwachsenen
bzw. mündigen Bürgern diktiert wird, was man sich anschauen
darf und was nicht - es ist und bleibt eine Zensur. Im Falle von
HT wird diese Willkür besonders deutlich, denn die wenigen
entfernten Sekunden entschärfen den Film in keinster Weise,
das brachiale Finale und die deftige Eröffnung blieben offensichtlich
unangetastet, was den Cut zu einer einzigen Farce macht. Dafür
kann der deutsche Vertrieb McOne zwar nichts - es sei ihnen sogar
hoch angerechnet, diesen Film trotz aller zu erwartenden Hürden
in Deutschland zu veröffentlichen - sie haben allerdings bewusst
oder unbewusst einiges zur Konfusion bezüglich der Schnittlängen
beigetragen, das in den besagten Foren zu fast schon lächerlichen
Diskussionen führte: "Haute Tension" ist mehr als
seine entfernten Sekunden! Trotz der Cuts blieb alles erhalten was
diesen Film auszeichnet: die titelgebende Hochspannung, eine brilliante
formale Gestaltung und ungewohnt gutes Schauspiel! Dazu kommt in
der deutschen Veröffentlichung endlich die originale französische
Tonspur und ein wesentlich besseres Bild als das der Thai-Version.
Extras, die einiges rausreissen...
Gorehounds und Filmfreaks sind eh schon im Besitz einer ungeschnittenen
Fassung und es wäre wohl das erste mal, dass diese sich eine
deutsche Synchro herbeisehnten. Alle anderen sollten sich von dieser
"bearbeiteten" Fassung nicht irritieren lassen und dem
Film in der Videothek eine Chance geben, sie werden trotzdem nicht
enttäuscht - die paar Sekunden rütteln nicht Gesamteindruck
des Films, sondern nur am Gesamteindruck von deutschen Institutionen.
"Haute
Tension" bleibt für mich einer der besten Filme in diesem
Jahr! Ich bin schon bei dem ganzen Lob-Gehudel skeptisch rangegangen,
und auch wenn der "Splatter-Granate" viel angedichtet
wird - der Goregehalt ist in jedem "Friday 13th" höher
angesiedelt, jedoch nie so eindringlich inszeniert - , so bleibt
er ein vor Spannung fast berstendes kleines Genre-Highlight! Gerne
würde ich aus der Reihe tanzen, aber ich muss mich den Lobgesängen
anschließen. Während das TCM-Remake eine ähnliche
Fallhöhe erst zum Finale aufbauen kann, hält "Haute
Tension" diese den gesamten Film über. Grimmiger, schnörkelloser
und blutiger geht's eigentlich nicht mehr, ohne ins Lächerliche
oder Groteske abzudriften. Ein wirklich toller... kleiner... dreckiger
...fieser Streifen ...und ein schöner Arschtritt für alle
Schöngeist-Cineasten, die Frankreichs filmisches Wirken am
liebsten über die wunderschönen Welten einer "Amelie"
definieren > Ehrenplatz!
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