Aktuelles
Kommentare 1

Links der Woche 1/15: Je suis Charlie

Das neue Jahr beginnt mit einer Tragödie und die erste Ausgabe der Links der Woche widmet sich allein diesem Thema. Gestern vormittag starben zwölf Menschen bei einem Attentat auf die Redaktion der seit 1992 bestehenden französischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo. Man geht von einem radikal-islamistischen Hintergrund der Tat aus, inzwischen wurden erste Verdächtige festgenommen. Das Magazin provoziert radikale Islamisten seit Jahren mit Karikaturen und Sonderausgaben wie Sharia Hebdo oder der „Biografie von Mohammed“, wobei der Islam bei weitem nicht die einzige Religion ist, die ihr satirisches Fett wegbekommt. Bereits 2011 wurde die Redaktion Opfer eines Brandanschlags, dem aber keine Menschen zum Opfer fielen.

[Update, 8.1.2015, 20:30 Uhr] Weitere Links, markiert mit **

© Wittek

© Wittek

Unter den Opfern des Anschlags sind vier Zeichner, die lange Jahre als Cartoonisten und Comiczeichner tätig waren:

Cabu (i.e. Jean Cabut, 13. Januar 1938 – 7. Januar 2015) [Biographie der Lambiek Comiclopedia]

Charb (i.e. Stéphane Charbonnie, 21. August 1967 – 7. Januar 2015) [Biographie der Lambiek Comiclopedia, Wikipedia deutsch]

Tignous (i.e. Bernard Verlhac, 1957 – 7. Januar 2015) [Wikipedia französisch]

Georges Wolinski (28. Juni 1934 – 7. Januar 2015) [Biographie der Lambiek Comiclopedia, Wikipedia deutsch]

** Philippe Honoré (25.11.1941 – 7. Januar 2015) [Wikipedia französisch]

Über die politischen Folgen in Frankreich und der Welt erscheinen jede Menge Einschätzungen und Kommentare in der Weltpresse (hier eine kleine Auswahl aus deutschen Blättern). Diese sollen uns hier weniger beschäftigen, stattdessen stellen die folgenden Links das Magazin und seine Zeichner in den Mittelpunkt:

Charb, Cabu, Wolinski, Tignous: Mit der Kalaschnikow ausradiert
Luxemburger Wort, Marc Thill
Getötete „Charlie Hebdo“-Karikaturisten: Vier spitze Federn
Spiegel Online, Moritz Piehler
Kurze Porträts der verstorbenen Zeichner.

Sie stachen heraus, weil ihre Federn so spitz waren
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Andreas Platthaus
Ein Nachruf auf CH-Redaktionsleiter Charb und auf Georges Wolinski, der 2005 in Angoulême mit dem Grand Prix ausgezeichnet wurde.

„Charlie Hebdo“ und die Kunst, böse zu sein
Süddeutsche Zeitung, Claudia Tieschky
Charlie Hebdo hat seither das Recht verteidigt, dass Satire alles darf und die Kunst gepflegt, gegen alle – und gerne gegen alle Religionen – geschmacklos und böse zu sein.“

Karikaturen, die provozieren
taz, Paul Wrusch
„Religiöse Satire ist ein fester Bestandteil von Charlie Hebdo. Sie reiht sich damit in antiklerikale Tradition Frankreichs ein. Schon seit seiner Gründung bekennt sich das Blatt zur radikalen Pressefreiheit und ließ sich bisher weder von Anschlägen noch von Drohungen einschüchtern.“

Charlie Hebdo and its place in French journalism
BBC News
„Drawing on France’s strong tradition of bandes dessinees (comic strips), cartoons and caricatures are Charlie Hebdo’s defining feature. Over the years, it has printed examples which make its representations of Muhammad look like mild illustrations from a children’s book.“

What It Means to Be a Cartoonist in France
Slate Browbeat, Bart Beaty
„Unlike in the United States, where comic strips, comic books, and editorial cartoons are generally regarded as only distantly related wings of the same art form, in France the integration of the three is much closer. Each of the four cartoonists killed today worked not only for Charlie Hebdo, but for other newspapers, and for French comic book publishers.“

Charlie Hebdo’s Most Controversial Religious Covers, Explained
Slate, Miriam Krule
Ein Überblick über die Charlie Hebdo-Ausgaben, die besonders für Aufregung sorgten.

Charlie Hebdo: its history, humor, and controversies, explained
Vox, Libby Nelson
Ein Erklärstück über das Satireblatt und was seine Art des Humors ausmacht

„Charlie Hebdo“-Chefredakteur Charb im Jahr 2012: „Wir testen Grenzen und überschreiten sie“
Badische Zeitung
Ein Interview von 2012 mit Charb, der nun eines der Opfer des Anschlags ist.

Die letzte Karikatur des Chefs von „Charlie Hebdo“
Deutschlandfunk

Solidarität mit Charlie Hebdo
arte
Der deutsch-französische Kulturfernsehsender Arte änderte gestern abend sein Programm und zeigte mehrere Sendungen zum Thema, u.a. eine Reportage zu Karikaturen und Pressefreiheit sowie ein Porträt von Georges Wolinski. Die Sendungen sind in der Mediathek abrufbar.

22 Heartbreaking Cartoons From Artists Responding To The Charlie Hebdo Shooting
Buzzfeed, Ryan Broderick
Weltweit bekundeten kurze Zeit nach dem Attentat Karikaturisten, Comiczeichner und Illustratoren ihre Solidarität mit und ihre Trauer um die Kollegen in Form von Zeichnungen. Buzzfeed zeigt eine Auswahl, ähnliche Sammlungen finden sich u.a. beim Guardian und bei Nerdcore.

In the Wake of Charlie Hebdo, Free Speech Does Not Mean Freedom From Criticism
The Hooded Utilitarian, Jacob Canfield
Ein Einwurf auf dem Comicblog The Hooded Utilitarian, das sich gerne gegen herrschende Mehrheitsmeinungen stellt: „Charlie Hebdo is a French satirical newspaper. Its staff is white. Its cartoons often represent a certain, virulently racist brand of French xenophobia. While they generously claim to ‚attack everyone equally,‘ the cartoons they publish are intentionally anti-Islam, and frequently sexist and homophobic.“ Jacob Canfield hält auch einige der schnell verbreiteten Solidaritäts-Cartoons (s.o.) für rassistisch und geschmacklos.

«Charlie Hebdo», des unes en deuil
Libération
Eine internationale Presseschau mit Zeitungs-Titelbildern vom 8. Januar

Ralf König, der sich in der Debatte um die Mohammed-Karikaturen stets sehr klar positioniert hat, schreibt in einem Statement auf Facebook, was jetzt gut wäre.

 

** Ausgelacht?!
Arte Info
Wie ist es weltweit um die Meinungsfreiheit von Karikaturisten bestellt? Eine interaktive Weltkarte stellt Karikaturisten aus verschiedenen Ländern vor, die in kurzen Statements erklären, wie weit Satire in ihrem Land gehen darf.

** Mut und Selbstzensur der Medien
Perlentaucher, Thierry Chervel
Die Website Perlentaucher, die seit Jahren eine Presseschau deutscher und internationaler Zeitungen im Internet pflegt, vergleicht die heutigen Ausgaben deutscher Zeitungen: Welche Blätter zeigen die umstrittenen, teils sehr drastischen Cartoons von Charlie Hebdo, welche nicht? “Auffällig ist, dass die Berliner Zeitungen generell weniger Komplexe haben. […] Viele maßgebliche amerikanische und britische Medien zeigen die drastischeren Karikaturen von Charlie Hebdo lieber nicht.”

** Comics Legend Art Spiegelman & Scholar Tariq Ramadan on Charlie Hebdo & the Power Dynamic of Satire
Democracy Now
Ein etwa 20-minütiges Fernsehinterview mit Comickünstler Art Spiegelman (Maus) und dem britischen Professor der Islamwissenschaft Tariq Ramadan, das auch als Abschrift zur Verfügung steht. Letzterer wirft dem Magazin vor, es habe sich in den letzten Jahren vor allem deshalb so sehr auf die Veralberung des Islam konzentriert, weil es in finanziellen Nöten war und damit gut Geld verdiente.

** „Meine Sorge ist, dass Publizisten vorsichtiger werden“
Süddeutsche Zeitung, Felicitas Kock
Ein Interview mit dem französischen Karikaturisten Manu (i.e. Emmanuel Letouzé): “Für mich waren diese Leute früher Helden. Heute fühlt es sich an – ich hoffe, das klingt nicht vermessen – als hätte ich Familienmitglieder verloren.”

** „Es braucht nur einen, der durchbrennt“
Der Tagesspiegel, Stefan Jacobs
Interview mit Klaus Stuttmann, einem der besten politischen Karikaturisten in Deutschland, der selbst schon Morddrohungen erhalten hat: “Seit den Drohungen gegen mich überlege ich einmal mehr, ob etwas missverstanden werden kann, denn das waren ja Missverständnisse. Bei eindeutigen Botschaften weiß man ja, worauf man sich einlässt. Insofern wussten die Charlie-Hebdo-Kollegen in gewisser Weise, worauf sie sich einlassen – wenn auch natürlich nicht in dieser Brutalität.”

** Scharf, schärfer, gezeichnet
Der Tagesspiegel, Ralph Trommer
Dieser ausführliche Artikel stellt Charlie Hebdo in eine lange historische Tradition der französischen Satire und beschreibt die Entwicklung des Magazins.

** Ihr werdet der Komik nicht Herr!
n-tv, Tim Wolff
Gastbeitrag von Titanic-Chefredakteur Tim Wolff: “Seit gestern gilt mehr denn je: Es lebe der Witz. Der kluge. Der platte. Jeder, der genügend Menschen findet, die über ihn lachen.”

** Der Mann, dessen Bild um die Welt geht
Süddeutsche Zeitung, Tobias Dorfer
Ein Kurzinterview mit @joachimroncin, dem Twitterer, von dem das tausendfach geteilte Bild zum Solidaritäts-Hashtag #JeSuisCharlie stammt.

Illustration: Wittek, mit freundlicher Genehmigung des Zeichners

1 Kommentare

  1. Pingback: Links der Woche 2/15: Qui suis-je? | Comicgate

Schreibe einen Kommentar

Mit dem Abschicken dieses Formulars erklärst du dich mit unserer Datenschutzerklärung einverstanden.