Alle Artikel mit dem Schlagwort: Der Rote Korsar

Währenddessen… (KW 45)

Christian: Herbst ist Klassikerzeit. Seit zwei Wochen lese ich mit großem Vergnügen Die Drei Musketiere von Alexandre Dumas. Schon nach den ersten Seiten fühlte ich mich an Jean Michel Charlier erinnert, der über seine Serie Barbe Rouge (Der Rote Korsar) mal sagte, er wollte damals einen Comic in der Erzähltradition von Dumas schreiben. Das ist ihm in der Tat gelungen. Jean Michel Charliers Erzählungen sind Dumas‘ Musketieren näher als die meisten Comic-Adaptionen dieses Klassikers. Diese Adaptionen (Classics Illustrated, Helmut Nickels Serie etc.) mögen werkgetreue Adaptionen sein, teils sehr gute (Nickel); die Art und Weise hingegen, wie Charlier seine Figuren charakterisiert ist zwar weniger nah an Dumas‘ Plots, aber umso näher an dessen Erzählhaltung. Chaliers Musketiere sind die gleichen Raufbolde und Tunichtgute wie Dumas‘ Figuren. Im Kampf mögen sie die Besten und Mutigsten sein, im Frieden wissen sie aber nicht so recht was anzufangen mit ihrer Energie (vgl. CG-Aufsatz über Charlier). Wer kennt nicht die legendäre Einführung der Figur d’Artagnan, der sich am selben Tag zuerst mit Athos, eine Stunde später mit Porthos, noch eine Stunde …

Die Comics von Jean-Michel Charlier – Teil 2: Totentanz

Im ersten Teil unseres Zweiteilers über die Comics von Jean-Michel Charlier wurden bereits so manche charakteristische Gemeinsamkeiten vorgestellt, die in der über vierzig Jahre währenden Karriere des Autors immer wieder auftraten. Teil 2 setzt diese Untersuchung fort. Zunächst wird der Schwerpunkt auf charakteristische Frauenfiguren gelenkt. Im abschließenden Kapitel mit dem programmatischen Titel „Totentanz“ geht es dann um nihilistische Tendenzen in Charliers Gesamtwerk. Sicher könnte man auch ein anderes Motto für Charliers Comics heranziehen, doch ist dies meines Erachtens schon ausreichend in der Reddition-Schwerpunktausgabe zu Charlier von 2003 geschehen. Mir geht es um das destruktive, latent menschenfeindliche, angesichts dessen, welche Verheerungen in Kauf genommen werden, fast lebensfeindliche Element, das in Charliers Werk immer wieder durchscheint.

Die Comics von Jean-Michel Charlier – Teil 1: Machertypen, Maschinen, Motoren und Militär

Jean Michel Charlier war einer der bedeutendsten Autoren klassischer frankobelgischer Comics. Seine Abenteuergeschichten um Piloten, Piraten, Pfadfinder, Privatdetektive und Kavalleriesoldaten überzeugen bis heute durch geschickt konstruierte Plots und Cliffhanger; als Szenarist spannender Geschichten erscheint er mir bis heute unerreicht. Allerdings muss man als modern denkender Mensch Charliers Erzählungen als guilty pleasure betrachten, die mit modernen Überzeugungen mitunter in Konflikt stehen. Zu unreflektiert ist die Darstellung des Soldaten als Held, zu selbstgefällig die Überzeugung der Hauptfiguren, stets auf der richtigen Seite zu stehen. Jean Michel Charliers Comics idealisieren ein Männlichkeitsbild, das ich nicht per se als negativ oder gar „toxisch“ bezeichnen möchte, im Gegenteil denke ich, dass man sich von einigen der klassischen Tugenden, die in den Comics vermittelt werden, durchaus inspirieren lassen kann, seien es Durchhaltevermögen, Enthaltsamkeit, Improvisationstalent oder schlichtweg technisches Know-how. Problematisch hingegen ist die Empathielosigkeit und Kälte, die Charlier in allzu vielen seiner Geschichten an den Tag legt. Unmöglich, hier eine Trennlinie zwischen dem Autor und seinen Figuren zu ziehen, in der Summe seines Schaffens drängt sich vielmehr der Verdacht auf, dass man …