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Sam Zabel in: Der König des Mars

Der kommerziell orientierte amerikanische Superheldencomic hat sich über die letzten Jahrzehnte verändert. Wo früher klare Verhältnisse und eine klar gezogene Trennung zwischen Gut und Böse bestand, dominiert heute bereits im Mainstream eine allgemeine Atmosphäre von Düsternis, Ambivalenz und Paranoia. Hier hat ein deutlicher Wertewandel stattgefunden. Darüber hinaus lassen gerade die Großverlage keine Chance ungenutzt, diesen neuen Status Quo mit ausufernden Crossovers und Relaunches festzuzurren. Das kappt die Bezüge zu früheren, unschuldigeren Zeiten und bindet gleichzeitig die Leser ans Verlagsuniversum.

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© Egmont Graphic Novel

Der neuseeländische Comicautor Dylan Horrocks hatte bereits in seinem grandiosen ersten Comicbuch Hicksville die verlorene Unschuld klassischer Comicserien thematisiert, in seinem neuen Buch Sam Zabel in: Der König des Mars greift er das Thema erneut auf. Viel ist seitdem geschehen, denn nach seinem Independent-Erfolg mit Hicksville durchlief Horrocks selbst die Mühlen der amerikanischen Großverlage. Vielleicht liegt es an seiner grundlegenden Disposition, dass er mit den Arbeitsbedingungen dort nicht zurechtkam. Er litt scheinbar von Anfang an darunter, dass er den vermeintlichen Erwartungen der Herausgeber entsprechen wollte, ohne seine persönlichen Interessen verwirklichen zu können – jedenfalls glaubte er, das zu müssen. Bald begann er, den Sinn seiner Arbeit zu hinterfragen. In Bezug auf den Psychiater Frederic Wertham, der in den 50er Jahren einen Kreuzzug gegen Comics führte, meinte Horrocks 2010 in einem Interview: „Ich bekam langsam das Gefühl, dass Wertham recht hatte, als er dem Superheldengenre einen unterschwelligen Faschismus attestierte. Das Triumphieren des Stärkeren, die Unterscheidung zwischen Gut und Böse, der Körperkult, der Einsatz von Gewalt als Tugend, die morbide Darstellung der Innenstädte, die Art und Weise, wie Verbrechern die Menschlichkeit abgesprochen wird, und so weiter und so weiter.“ Kein Wunder, dass Dylan Horrocks in eine Sinnkrise und Depression verfiel.

© 2014, Egmont Graphic Novel

© 2014, Egmont Graphic Novel

In Sam Zabel: Der König des Mars verarbeitet er nun diese Erfahrungen und diskutiert nebenbei die Verantwortung des Comicautors. Der Comiczeichner Sam Zabel, der als Nebenfigur bereits in Hicksville auftrat, ist dabei eindeutig Dylan Horrocks‘ Alter Ego. In seiner tiefsten Schaffenskrise trifft Sam Zabel die comicbegeisterte junge Alice, die ihn auf einen Buchladen aufmerksam macht, wo es obskure alte Comics der 50er Jahre zu erwerben gibt. Neugierig geworden, geht Sam dorthin und erwirbt ein Exemplar des Buchs „Der König des Mars“, das von einem Raumschiffpiloten handelt, der auf dem Mars landet. Dort existiert eine sexuell ausgehungerte Männergesellschaft, die regelmäßig mit Raumschiffen die Venus überfällt, um Frauen zu jagen und auf den Mars zu verschleppen.

Als Sam Zabel diesen ebenso naiven wie tendenziell sexistischen Comic liest, muss er niesen, was zur Folge hat, dass er sich unverhofft selbst in dieser obskuren Marswelt wiederfindet. Dort erfährt er, dass das Buch, das er soeben angeniest hat, mit einer verzauberten Feder gezeichnet wurde, und dass jeder, der dessen Seiten anbläst, selbst zum Akteur im Comic wird. Aber Sam ist nicht der erste dem das passiert: Ebenso wie ihm erging es dem Mangamädchen Miki, das selbst einem Comic der magischen Feder entsprungen ist. Dieses Mädchen hat einen Rucksack voller magischer Comics, die alle als Pforte zu neuen Welten und Abenteuern dienen können. Mit ihrem Insiderwissen wird Miki schnell zu Sams Reisebegleiterin durch die Welt der Comics – und so machen sich die beiden auf eine Reise durch die verschiedenen Genres, die sie auch zum Künstler mit der magischen Feder selbst führt.

© 2014, Egmont Graphic Novel

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Das erinnert bisweilen an Peters seltsame Reise von Helmut Nickel, ist aber anders als Nickels Klassiker kein harmloser Spaß zum bloßen Zeitvertreib. Dylan Horrocks verfolgt mit seiner eigenen Version der seltsamen Reise ein klares pädagogisches Ziel, wodurch die Geschichte leider mitunter etwas thesenhaft gerät. Man merkt, dass es Horrocks‘ Anliegen ist, die Verantwortung eines Künstlers zu reflektieren, aber manchmal schießt er in seiner didaktischen Deutlichkeit übers Ziel hinaus; auch wenn der Künstler Sinn für Humor und Poesie hat, ist er an diesen Stellen zuweilen unfreiwillig komisch.

Dennoch ist ihm ein lesenswerter Comic gelungen, der abwechslungsreich zwischen autobiografischen Anteilen, Metacomic und phantasievoller Spinnerei hin- und herspringt. Dylan Horrocks wirkt als Erzähler ebenso sympathisch wie authentisch.

Dylan Horrocks macht aus seinen inneren Konflikten einen poetischen Comic. Lesenswert.

7von10Sam Zabel in: Der König des Mars
Egmont Graphic Novel, 2014
Text und Zeichnungen: Dylan Horrocks
Übersetzung: Volker Zimmermann
224 Seiten, farbig, Softcover
Preis: 19,99 Euro
ISBN: 978-3-7704-5513-3
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