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Maertens

Gäbe es einen Preis für das abgefahrenste Figurendesign eines Comics, Maximilian Hillerzeder würde ihn dieses Jahr abräumen. Schon der titelgebende Maertens beeindruckt mit dem wohl längsten Kinn der Comicgeschichte, aber das ist noch ein vergleichsweise konventionelles Feature im Vergleich zu den Nebenfiguren: Ein Mann, dessen Nase und Ohren nicht zu seinem Kopf gehören zu scheinen, diverse anthropomorphe Tiere, Polizisten mit Köpfen in Form von Spannpratzen und diverse Typen mit Gebüschkopf oder Lauchgesicht, wandelnde Zweigchen, Kürbisköpfe oder meine Lieblingsfigur, der Playstationhead. Und doch hat man irgendwie das Gefühl, diese Typen zu kennen.

Alle Abbildungen: © Maximilian Hillerzeder & Jaja Verlag

Anders als Maximilian Hillerzeders Erstling Als ich mal auf hoher See verschollen war, das ich in seiner assoziativen Erzählweise eher in der Nähe von Moebius‘ Hermetischer Garage sehe, ist Maertens überraschend konventionell erzählt. Maertens, von Beruf her Bedienkraft in einem Fast-Food-Restaurant, ist ein leidenschaftlicher Fan von Rätseln und Krimis sowie Autor von Fan-Fiction. Eines Tages bekommt er Besuch von einem Mann, der ihn bittet, seine entführte Tochter zu finden. Maertens weist den Auftrag zunächst zurück, als Krimifan sei er noch lange kein Detektiv, meint er. Aber natürlich wird er den Auftrag im Lauf der Erzählung annehmen, womit Hillerzeder wie nebenbei auch die Erzählstruktur der Heldenreise übernimmt.

Die Verwendung von bekannten Mustern ist immer dann reizvoll, wenn diese originell umgesetzt werden. Maximilian Hillerzeder gelingt das Kunststück. Sein Erzählrhythmus ist perfekt durchgetaktet, seine visuellen Einfälle sind originell und setzen abwechslungsreiche Akzente. Vieles erinnert an Trondheim oder Blaine, anderswo werden Erinnerungen an Matt Groenings Life is Hell-Cartoons wach, so zum Beispiel in einer dreiseitigen Sequenz, welche die Monotonie der Arbeit im Fast-Food-Restaurant mit minimaler Variation veranschaulicht. Dazu gesellt sich lakonischer Wortwitz, der auch die Dialoge zum Vergnügen macht. Ähnlich pointierte Dialoge kenne ich aus Jakob Arjounis schnoddrigen Kayankaya-Krimis (Happy Birthday Türke, Kismet), oft erinnert Maertens charmantes, aber leicht cholerisches Wesen auch an Sven Regeners Herrn Lehmann.

Maximimilan Hillerzeder hat mit Maertens einen der schönsten Comic-Krimis der letzten Jahre geschaffen. Sein Plotting ist präzise im Timing und perfekt konstruiert, was den Comic zusammen mit der kratzbürstigen und unverwechselbaren Grafik zum echten Must-have werden lässt. Schön, dass engagierte Kleinverlage wie Jaja solche wunderbaren Produktionen immer wieder aufs Neue möglich machen.

Der gut ausgetüftelte Plot und die originelle Bildsprache machen Maertens zum Comic-Ereignis.

Maertens10von10
Jaja Verlag, 2018
Text und Zeichnungen: Maximilian Hillerzeder
152 Seiten, farbig, Softcover
Preis: 18 Euro
ISBN: 978-3-946642-33-6
Leseprobe

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