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Liga Deutscher Helden 1-3

Die Liga Deutscher Helden (LDH), eine Spin-Off-Serie der von Harald Havas konzipierten Serie Austrian Super Heroes (ASH), hat ihren ersten Zyklus abgeschlossen. Höchste Zeit für eine erste Würdigung, denn obwohl der Start holprig war und die Reaktionen eher reserviert, hat die Serie doch eine klare Vision, die sie über den Durchschnitt hebt.

Die Zeichnungen in den Bildbeispielen sind von Martin Frei (Bild 1 und 2), Oliver Kammel (Bild 3) und Gerhard Schlegel (Bild 4). Alle Abbildungen © Havas, Frei, Kammel und Schlegel.

Beginnen wir mit den Problemen der Reihe: Anders als in der Ursprungsserie ASH bekommt man als Leser keine zur Identifikation einladende Heldenfigur nach Art eines Friendly Neighbourhood Spiderman an die Hand. Stattdessen gibt es launige Figuren wie Gamsbart und den „Jeck“, der eine ein bayerischer, Latzhose tragender Muskelmann mit Iro, der andere ein Karnevalsjeck, der hessisch babbelt kölschen Dialekt spricht und mit elektrisch geladenen Blumen schießt. Sie sind ganz offensichtlich die unangepassten Hallodris des Teams, aber weder ihr Aussehen noch die Sprechweise schaffen es wirklich, den Leser zu verführen, es sei denn zum schnellen Weiterblättern.

Auch bleibt die Erzählung zunächst ohne klare Richtung und arbeitet hektisch mehrere Episoden an wechselnden Schauplätzen ab. Wie bei den X-Men gibt es auch im Kosmos der LDH ein Mutanten-Gen, das in vielen Menschen schlummert, aber sich nicht zwingend durchsetzt. In letzter Zeit jedoch häufen sich die Ausbrüche, da eine unbekannte Macht diese triggert: Eine Reiseführerin verwandelt sich in ein Hirschmonster, ein Junge in einen Killerroboter. Beide Male ist die Inszenierung, gestaltet durch Martin Frei, holprig. Zwar lassen sich die Geschichten gut nacherzählen und klingen in einer Synopsis nach tragfähigem Plot, während des Lesens dieser Actionszenen aber wartet man nur darauf, dass es vorübergehen mag, damit vielleicht doch noch etwas interessantes Zwischenmenschliches passiert – ein denkbar schlechtes Urteil für mehrseitige Actionsequenzen. Auch bleibt bei dem vielen Schauplatz-Hopping das regionale Potenzial ungenutzt. München und Frankfurt sind nur beliebige Postkarten-Kulissen, zudem wirkt die Dialektsprecherei, egal ob durch Haupt- oder Nebenfiguren, forciert.

Nun zum Positiven: Man bemerkt ziemlich schnell die amerikanischen und britischen Einflüsse und gerade Showrunner Harald Havas, aber auch Autor Jan Dinter, sind geschickt darin, den Figuren über Zeitsprünge und Andeutungen Tiefe zu geben. Der Anführer der LDH, ein entnazifizierter deutscher Superheld des Dritten Reichs, erinnert gleichzeitig an tragende Figuren aus Alan Moores Watchmen als auch Grant Morrisons Zenith, ohne dabei zur plumpen Kopie zu werden. Bei den sperrigen Figuren Gamsbart und dem Jeck drängt sich mir gar eine Parallele zu Grant Morrisons Invisibles auf. Morrisons Figuren haben vor allem wegen ihrer Over-the-top-Coolness genervt, doch gelang dem Autor im Lauf der Zeit das Kunststück, seine Unsympathen zu wirklichen Figuren mit Tiefe auszuarbeiten, die gar nicht zwingend sympathisch sein müssen, um interessant zu sein. Das gleiche scheint auch Havas und Dinter zunehmend zu gelingen. Offensichtlich ist das Spannungsfeld zwischen der Hauptstory und den Rückblenden, die in separaten Kurzcomics erzählt werden, Teil des Konzepts. Eine gewagte Herangehensweise, denn die Hauptstory sollte der Hauptgrund sein, weshalb ich zum Heft greife. Bei LDH – teilweise auch bei ASH – sind derzeit noch die Nebenstories sowohl künstlerisch als auch erzählerisch interessanter. Aber es zeichnet sich eine zunehmende Überschneidung der Timelines und eine positive Entwicklung der Haupterzählung ab. Bleibt zu hoffen, dass sie noch genügend Gelegenheit zur Entfaltung bekommen wird.

Die schönste Figur der Liga ist aber die alternde Defa-Diva Rita, die sich in jede beliebige Figur verwandeln kann. Jedes Panel, in dem man über ihre Vergangenheit erfährt, ist ein Gewinn, wohingegen die meisten ihrer Actionszenen unter den Möglichkeiten bleiben. Das bedeutet nicht, dass ihre Auftritte im Haupterzählstrang nicht gefallen. Im Gegenteil hat sie die interessantesten Charaktermomente, beispielsweise wenn sie mit dem Captain über die Spannungen zwischen der ehemaligen Bundesrepublik und der DDR räsoniert. Die Serie ist immer dann am besten, wenn sie ihren Figuren kurze Momente der Ruhe gönnt und entweder zeitgeschichtlichen oder regionalen Kontext miteinbezieht.

Die Austrian Superheroes erscheinen sehr verlässlich alle zwei Monate. Gemessen daran, dass die Seitenanzahl ein amerikanisches Monatsheftchen leicht übersteigt und auch die aktuellen Serien bei Image, Vertigo und Dark Horse immer wieder Verzögerungen haben, ist das ein respektables Tempo, das die Erzählung tatsächlich voranbringt. Wenn es gelänge, die LDH ebenfalls diesem Erscheinungsrhythmus anzugleichen, könnte hier eine wirklich tolle Erzählung passieren. Falls nicht, wäre es eine Vergeudung von interessant konzipierten Figuren. Gamsbart und Jeck ausdrücklich miteingeschlossen.

Interessante Figuren und ein gutes Konzept lassen ein großes Potenzial erkennen.

Liga Deutscher Helden 1-37von10
Hrsg. Harald Havas, Erscheinungsjahr 2017 und 2018

Autoren: Jan Dinter, Harald Havas, Oliver Naatz
Zeichnungen: Martin Frei, Gerhard Schlegel, Oliver Kammel, Andreas Butzbach, Erol Lorenzo Debris

je Heft 32 Seiten, Farbe, Softcover
Preis: je Heft 4,90 Euro (Kiosk), 13,00 Euro (Limited Editions)

Leseprobe

Anmerkung der Red. (28.9.2018): Nachdem wir von führenden Fachleuten mehrfach darauf hingewiesen wurden, dass der Jeck NICHT hessisch babbelt, haben wir diesen Absatz korrigiert.

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