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Insel der Frauen

Die Story von Insel der Frauen hätte auch als eine rein erotische Fantasie umgesetzt werden können. Ja, sogar ein Porno hätte daraus erwachsen mögen. Aus der Grundidee, dass sich ein einzelner junger Mann auf einer ansonsten nur von Frauen bewohnten Insel befindet, hätte man einen endlosen Reigen sexueller Erlebnisse machen können. Die Schöpfer des Comics haben sich jedoch für einen anderen Weg entschieden.

Alle Abbildungen © Splitter

Im Jahre 1914 holt der Krieg auch eine abgeschiedene bretonische Insel ein und alle wehrfähigen Männer werden eingezogen. Nur die Frauen, Alten und Kinder bleiben zurück. Und Mael. Der junge Mann ist durch seinen Klumpfuß untauglich als Soldat und bekommt nun die Rolle des Postboten zugeteilt, welche es ihm erlaubt mit den zurückgebliebenen, einsamen Frauen der Insel in Kontakt zu kommen. Eine Tatsache, die er ausnutzt.

Zwar spielt in Insel der Frauen Erotik durchaus eine Rolle, aber die Schöpfer enthalten sich eines zu stark auf den sexuellen Akt konzentrierten Voyeurismus. Wenn es zum Austausch von Zärtlichkeiten kommt, so entbehren diese oft nicht eines gewissen Witzes, und Zeichner Morice gleitet auch nie ins Pornografische ab. Vielmehr herrscht (nicht nur) in diesen Szenen eine ungeheure Zartheit vor, welche vor allem durch die Zeichnungen hergestellt wird, die eine gewisse Idylle erzeugen und damit verschleiern, dass es in der Story eigentlich um Rache geht.

Der bisherige Außenseiter Mael erlangt durch seine neue Rolle das erste Mal Beachtung. Langsam gewöhnen sich die Frauen an ihn und er wird ihr Ansprechpartner für ihre alltägliche Sorgen sowie Ängste um ihre Männer. Je länger letztere fort sind, desto mehr ersetzt Mael sie. Und er nutzt seine neue, ungewohnte Machtposition aus, um die Inselbewohner zu manipulieren. Zielgerichtet macht er sich daran, die Post zu zensieren und zu verändern. Nicht, um die Frauen zu schützen, sondern um sie zu verführen. Dadurch verliert er zunehmend die Sympathien des Lesers. Was durchaus ein Problem für die Geschichte ist, denn die anderen Figuren sind im Vergleich etwas blass. So kann man einige weiblichen Figuren leicht verwechseln, da nur wenige charakteristisch gezeichnet sind und sich die Gesichter stark ähneln.

Gegen Ende wäre es interessant gewesen die Rückkehr und die Reaktionen der Männer zu betrachten, doch der Konfliktstoff ist da schon zum größten Teil durch. Stattdessen gibt es einen zu lang wirkenden Epilog. Was dort als Rückblende eingestreut wird, wäre besser im Laufe der eigentlichen Erzählung platziert worden, und geht nun zu Lasten des Story-Timings. Vielleicht rühren diese dramaturgischen Probleme auch daher, dass der Stoff ursprünglich als Roman geplant war. Das merkt man vor allem auch daran, dass Autor Didier Quella-Guyot auf einige sprachliche Einfälle offenbar nicht verzichten wollte und sich manchmal nicht auf seinen Zeichner verlässt. So erläutert Quella-Guyot zu viel vom Innenleben der Figuren im Off-Kommentar, obwohl Dialoge und Zeichnungen ausgereicht hätten, um ihre Gefühle auszudrücken.

Eine gute Storyidee, die mit gelungenen Zeichnungen, aber auch ein paar erzählerischen Schwächen umgesetzt wurde.

Insel der Frauen
Splitter Verlag, 2016
Text: Didier Quella-Guyot
Zeichnungen: Sébastien Morice
Übersetzung: Swantje Baumgart
120 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 19,80 Euro
ISBN: 978-3-95839-332-5
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