Die Welt am Draht, das sind Kommentare, Informationen, Gedanken und natürlich News rund um die Welt der Comics und darüber hinaus.
16.01.2009
Superman und Golem
(Ausstellung in Frankfurt)
Der Besucher wird am Eingang von Superman empfangen. In einer Endlosschleife fliegt der Mann aus Stahl mit ordentlich Täterätä! über den Fernsehbildschirm. Zu sehen ist eine TV-Episode aus den 1940er Jahren. Der berühmte Held am Eingang der Ausstellung Superman und Golem soll als Blickfang dienen. Noch bis zum 22. März sind im Jüdischen Museum in Frankfurt Comics zu sehen, an deren Entstehung Juden maßgeblich beteiligt waren und in denen auch oft Aspekte jüdischen Lebens und jüdischer Geschichte verarbeitet werden.
Nicht immer finden sich in den Geschichten jüdischer Zeichner auch jüdische Themen. Superman ist ein gutes Beispiel dafür. So wird am Eingang der Ausstellung darauf hingewiesen, dass es nicht darum gehe, den Comic als spezifisch jüdisches Medium zu vereinnahmen, sondern lediglich einen wichtigen Aspekt herauszuarbeiten. Der Cape-Träger vom Planeten Krypton zum Beispiel verweist auf seine beiden jüdischen Schöpfer, die Comic-Künstler Joe Schuster und Jerry Siegel, die Superman 1932 erfanden und damit den Boom der Superhelden einläuteten. Eine bezeichnend jüdische Figur ist Superman jedoch nicht.
Doch nur wenig ist so leicht und unverfänglich wie Superman. Schon im zweiten Ausstellungsraum findet sich ein Exponat, eine Zeitungsseite aus dem Nazi-Blatt Das Schwarze Korps von 1940, in dem ein namenloser deutscher Schmierfink versucht, Superman und Jerry Siegel in den Schmutz zu ziehen. Die Propaganda des Dritten Reichs reagierte damit auf eine zweiseitige Comic-Story, in der Superman sowohl Hitler als auch Stalin entführt und vor ein Tribunal schleppt. Zu sehen ist nicht nur der diffamierende deutsche Zeitungsartikel, sondern auch die zweiseitige US-Comic-Story.
Dieses außerordentlich gelungene Ausstellungsstück führt weiter zu ernsteren Themen als Superman, zum Beispiel zu den Graphic Novels von Will Eisner, weiter zu Spiegelmans Maus und weiter zu Harvey Pekars American Splendor. Zu sehen sind Werke von insgesamt 48 Comic-Künstlern. Die meisten Arbeiten kommen aus den USA, was einen deutlichen Schwerpunkt der Ausstellung ausmacht. Doch auch europäische und israelische Comic-Künstler finden ihren Platz. Joann Sfar hat beispielsweise einige Originalseiten zur Verfügung gestellt und wird in angemessenem Umfang gewürdigt. Zeitlich bewegt sich die Ausstellung zwischen 1910 und der Jetztzeit.
Die Ausstellung im Jüdischen Museum Frankfurt ist allen Comic-Freunden zu empfehlen. Wenn man sich Zeit nimmt und nicht nur die Zeichnungen überfliegt, sondern auch in Ruhe liest und betrachtet, benötigt man mindestens einen halben Tag. Wer sich vorab noch mehr informieren möchte, findet weitere Infos über das Jüdische Museum und die aktuelle Wechselausstellung hier.
Superman und Golem. Der Comic als Medium jüdischer Erinnerung
Ausstellung im Jüdischen Museum Frankfurt
18. Dezember 2008 ? 22. März 2009Labels: Ausstellung, Eisner, Künstler, Spiegelman, Superman, Zeitung
posted by Christopher um 12:13 | Permalink
06.01.2009
Noch mehr Zeitungscomics
(Neue Eigenproduktionen in großen überregionalen Zeitungen)
Die Zeitungen aus Frankfurt bereichern mal wieder die hiesige Comiclandschaft. Zum Jahresanfang starteten neue Zeitungscomics in der FR, der FAS und der F.A.Z.
Bei der Frankfurter Rundschau erscheint im gesamten Jahr 2009 jeden Samstag ein ganzseitiger, farbiger Comic von Isabel Kreitz. Der FR Deutschland Comic greift in jeder Folge ein Ereignis aus der Geschichte der Bundesrepublik auf, die im Jahr 2009 ihren 60. Geburtstag feiert. Verbunden ist der Comic mit einem Gewinnspiel: Die FR-Leser sollen das Datum nennen, an dem das im Comic beschriebene Ereignis stattgefunden hat. Online kann man den Comic nicht sehen, wohl aber das Interview mit Isabel Kreitz, das die FR zu diesem Anlass im Blatt hatte.
Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung bietet auf ihrer Seite "Ansichten" jeden Sonntag den sogenannten Tragic Strip, der von wechselnden Zeichnern gestaltet wird. In den kommenden Wochen kommt dieser vom US-Künstler Paul Hornschemeier. Exklusiv für die FAS zeichnete er die wortlose Geschichte vom "Huge Suit", die in den kommenden 17 Wochen fortlaufend veröffentlicht wird. Einen kleinen Ausschnitt gibt es auf Hornschemeiers Blog zu sehen.
Auch bei der werktäglichen F.A.Z. gibt es Neuerungen. Wie bereits berichtet, gibt es ab sofort keinen täglichen Strizz-Strip von Volker Reiche mehr. Dieser bekommt dafür im neuen Jahr eine halbe Seite in der samstäglichen Wochenend-Beilage "Bilder und Zeiten". Die erste Folge am vergangenen Wochenende wurde von einem großen Artikel von Andreas Platthaus begleitet, der die Tradition der Sonntagsstrips bei den amerikanischen Zeitungscomics beleuchtet.
Der frei werdende Platz in den F.A.Z.-Ausgaben von Montag bis Freitag wird rund sechzig Ausgaben lang von Ralf König bestritten. Ab dem heutigen Dienstag erscheint sein Comic Archetyp, in dem er sich zum wiederholten Male satirisch mit Religion beschäftigt. Basis ist die biblische Geschichte von der Arche Noah. Andreas Platthaus kündigt den Strip in seinem Comic-Blog auf FAZ.net an: "Ralf König hat den gottesfürchtigen Schiffsbauer kräftig gegen den Strich gebürstet, und im Mittelpunkt seiner Geschichte steht denn auch nicht die Sintflut, sondern das seltsame Paradox eines gütigen Gottes, der mir nichts dir nichts fast seine ganze Schöpfung ersäuft, auf deren Entwurf er doch so große Mühe verwandt hat, und das nur wegen der Ungebärdigkeit der Menschen." Die erste Folge von Archetyp gibt's auf FAZ.net zu lesen.Labels: Zeitung, Zeitungscomics
posted by Thomas um 11:16 | Permalink
09.12.2008
Verlag für Comicforschung
(aktuell in der Presse)
Ich spanne Thomas' Bogen aus dem letzten Post fort: Noch mehr Zeitungen berichten über Comicthemen.
Diesmal ist es die WAZ, die - noch gewagter als das Thema "Comic" an sich - über die Nische in der Nische berichtet: Sekundärliteratur über Comics. Allerdings in der Rubrik "Mitmenschen", so dass man hier wohl nicht mit einer weiteren Comicoffensive rechnen darf.
Der Student Christian Bachmann gründete Anfang 2008 seinen eigenen Verlag mit dem Schwerpunkt "Comicforschung". Ilias Abawi berichtet heute für die WAZ über den Verlag und hat sich mit dem Herausgeber unterhalten: Die komplexe Welt der ComicsZitat:Unser hauseigener Comicforscher Daniel Wüllner hat sich bereits die erste Publikation aus dem Hause Bachmann zu Gemüte geführt und ist mit dem Ergebnis recht zufrieden. Seine Rezension zu Batman - Konstruktion eines Helden schließt mit dem Fazit:
"Christian Bachmann hatte eigentlich nie etwas für Comics übrig. Mal abgesehen von den paar Micky-Maus-Heften, die er als Kind in die Hand nahm. "Das war so zur Unterhaltung, mehr nicht", sagt der 26-Jährige, der - man höre und staune - heute einen Verlag leitet, in dem gleich eine ganze Schriftenreihe zur Comicforschung erscheint. Es ist der erste Verlag seiner Art in Deutschland.""Lars Banhold hat mit der zweiten Auflage von Batman - Konstruktion eines Helden dem Original zwar nicht viel hinzuzufügen, präsentiert aber einen sowohl wissenschaftlich fundierten als auch sehr gut lesbaren Text. Der kleine, gelbe Band steht stellvertretend für eine Nische, die der Christian A. Bachmann Verlag für sich erschlossen hat und demnächst durch die Nachfolgetitel Ingenieur der Träume - Medienreflexe bei Marc-Antoine Mathieu und Bibliographie der Comicforschung erweitern wird. Man darf auf jeden Fall gespannt sein, was Verleger Bachmann noch für Gimmicks aus seinem gelben Verlagsgürtel holen wird."Labels: Online, Sekundärliteratur, Zeitung
posted by Frauke um 20:39 | Permalink
06.12.2008
Mehr Comic-Kram im Web
(Comic-Offensive bei Tagesspiegel und F.A.Z.)
Die Online-Ableger zweier großer Tageszeitungen gehen in die Comic-Offensive. Wie neulich schon erwähnt, hat der Tagesspiegel vor circa zwei Wochen ein Comic-Portal geschaffen, das seitdem beträchtlich am Wachsen ist. Inzwischen gibt es die Kolumnen-Reihe Tops & Flops, mit Comicempfehlungen verschiedener Autoren (u.a. Comichändler Micha Wießler, Zeichnerin Elke Steiner und die Mangakas Inga Steinmetz und Natalie Wormsbecher). Bisher besteht die Reihe nur aus "Tops", ein Verriss war noch nicht dabei. Außerdem gibt es die sonntäglichen Strips aus der Zeitung als Online-Comics und eine stetig wachsende Menge von Artikeln, die die verschiedenen Facetten der Comicwelt ziemlich gut abdecken. Die Bandbreite reicht von Alan Moore bis zu Zep, von Hal Foster bis zu deutschen Zeichnern wie z.B. Michael Vogt, dessen Schalke-Comic heute besprochen wird. Wenn der Tagesspiegel in diesem Tempo weitermacht, entsteht hier ein beachtliches Online-Magazin über Comics, das zur täglichen Pflichtlektüre für uns Comicinteressierte werden könnte. Was wir uns noch wünschen würden: Den passenden RSS-Feed dazu.
Bei FAZ.net, dem Online-Ableger der Frankfurter Allgemeinen, wird derzeit einem einzelnen Comic besonders viel Aufmerksamkeit zuteil: Art Spiegelmans Breakdowns - Portrait des Künstlers als %@*!, ein autobiografischer Comic aus dem Jahr 1978, in dem auch viel über das Medium an sich reflektiert wird, der nun mit neuem Vorwort (in Comicform) und neuem Nachwort neu aufgelegt wurde und dabei erstmals auch auf deutsch erscheint. Es ist zwar ein bisschen verwunderlich, dass die F.A.Z. gerade diesem (immerhin 30 Jahre alten) Buch so viel Zeit und Platz widmet, man kann sich aber auch drüber freuen, denn man nähert sich dem Werk auf vielen verschiedenen Wegen: Das Themenspecial enthält nicht nur mehrere Texte über Breakdowns (u.a. von Andreas C. Knigge und Ralf König) und ein Interview mit Spiegelman, sondern auch zwei Betrachtungen des Werks in Comicform, von Flix und von Volker Reiche.
Und noch eine Überraschung: Die F.A.Z., die wie die meisten etablierten Printmedien dem Phänomen "Blogs" lange Zeit sehr skeptisch gegenüberstand, veröffentlicht jetzt selber welche: Seit letzter Woche bloggt ein gutes Dutzend F.A.Z.-Autoren zu verschiedenen Themen. Einer davon ist Andreas Platthaus, Comic-Experte des F.A.Z.-Feuilletons. Sein Blog trägt den schlichten Namen Comic und liefert gleich im ersten Beitrag das, was man Blogs öfter mal vorwirft: Selbstreferenzialität. Exklusiv verkündet Platthaus, dass Strizz, der tägliche F.A.Z.-Comicstrip von Volker Reiche, am 2.1.2009 zum letzten Mal erscheinen wird. Ab dem 5.1. wird der freie Platz dann zunächst mal von Ralf König gefüllt werden, der schonmal die Urlaubsvertretung für Strizz übernommen hatte.
NACHTRAG: Wie Volker Reiche heute auf der Strizz-Website verkündet, ist mit der Serie nicht komplett Schluss. Er schreibt: "Bitte keine voreiligen Tränen um das Ende von STRIZZ, denn STRIZZ geht auch im neuen Jahr weiter! Zwar nicht mehr von Montag bis Freitag, sondern "nur" am Samstag, dort aber mit einer für einen Zeichner wunderbar großzügigen halben Zeitungsseite. Vielleicht bekommt dann Herr Paul sogar seinen eigenen Strip. Mal sehen... Wer also will, kann STRIZZ die Treue halten und das ganze Wochenende nichts anderes machen, als STRIZZ zu studieren."Labels: Blog, Online, Spiegelman, Zeitung
posted by Thomas um 17:17 | Permalink