An dieser Stelle berichten wir von Comic-Events wie dem Comic-Salon Erlangen, der Frankfurter Buchmesse oder dem Münchner Comicfestival. Persönliche Eindrücke, Fotos, Nachrichtenhäppchen und einiges mehr.
25.5.08
Wozu noch Verlage? Comics online
Mit: Lydia B. Schöneberger (Die Biblyothek), Thomas Kögel (comicgate.de), Thomas Gronle (Moga Mobo), Kai-Steffen Schwarz (Carlsen), Stefan Dinter (Zwerchfell), Henning Kockerbeck (splashpages.de), Burkhard Ihme (ICOM), Kai Pfeiffer (electrocomics.com)
Moderation: Harald Havas
Die Welt des WorldWideWeb verändert das traditionelle Verlagswesen. Zu der althergebrachten, gedruckten Veröffentlichung kommt seit mehreren Jahren die Möglichkeit, Comics im Internet zu publizieren. Ein Fluch? Ein Segen? Ist der Webcomic eine Alternative zum gedruckten Comic? Ist er eine Konkurrenz? Eine Ergänzung? Darüber sprachen die Teilnehmer der Diskussion "Wozu noch Verlage? Online-Comics" heute, High Noon.
(Kögel, Gronle, Havas)
Wie die Heiligen Drei Könige kamen die Gesprächspartner aus den unterschiedlichsten Richtungen, um über die neuen Möglichkeiten im Netz zu sprechen. Bei Comicgate und Splashcomics sind die Strips und Stories eher eine Ergänzung zum Textmaterial. Die Biblyothek und Electrocomics sind vollblütige Kinder des Internets. Im Gegensatz dazu Carlsen und Zwerchfell, die aus dem traditionellen Print-Geschäft stammen und sich nun mit dem Internet arrangieren müssen - ob sie nun wollen oder nicht. "Der Buchmarkt hat uns den Arm auf den Rücken gedreht." (Stefan Dinter)
Einig waren sich die Teilnehmer der Diskussion darüber, dass Online-Comics auch in Zukunft eine Rolle spielen werden, vielleicht sogar mit wachsender Bedeutung. Außerdem war man sich einig, dass sich mit Online-Comics kein Geld verdienen lässt. Bares kommt über Merchandise-Artikel herein oder wenn sich eine große Fan-Basis gebildet hat, die auch bei der Printversion zugreift. Nichtlustig und Der Tod und das Mädchen sind solche Erfolgsgeschichten, die einst im Web begannen.
(Schöneberger, Kögel, Gronle, Havas, Schwarz, Dinter)
Die Möglichkeiten und Chancen, die das Internet eröffnet, traten in der Diskussion eher zurück. Stattdessen wurden Probleme gewälzt. Problematisiert wurde zum Beispiel die Situation, dass Verlage ein breiteres Angebot als früher entwickeln müssen, um auf dem Markt bestehen zu können. "Verlage müssen mehr als bisher Dienstleister sein." (Henning Kockerbeck) Die Erkenntnis tut vielleicht so manchem weh, aber zu einem modernen Verlag gehört ein zeitgemäßes Angebot im Internet. Blogs, Foren, Previews oder Bonusmaterial - die Möglichkeiten sind vielfältig. Das Grundproblem dabei: Solch ein Service kostet Mühe, bringt aber kein Geld. Hinzu kommt die illegale Verbreitung im Internet, ein weites und undurchschaubares Feld.
Sicherlich hat Kai-Steffen Schwarz recht, wenn er sagt, dass man die illegale Verbreitung von Comics im Internet nicht 1:1 gleichsetzen kann mit der von Musik und Filmen. "Das sinnliche Empfinden zwischen Webcomics und Gedrucktem unterschiedet sich sehr. Mehr als bei Musik oder Filmen", so Schwarz. Stefan Dinter stößt in das selbe Horn: "Wenn ich in meiner Lesehaltung bin, würde mir der Laptop ins Gesicht fallen."
(Gronle, Havas, Schwarz, Dinter, Kockerbeck)
Es ist wohl abzusehen, dass Online-Comics die traditionellen Print-Produkte nicht vollständig verdrängen werden. Wahrscheinlich ist eher eine Koexistenz beider Comic-Formen. Dennoch kommen durch die Möglichkeiten, die sich für Comics im Internet bieten, viele neue Aufgaben auf die Verlage zu. Über die Finanzierung und die Restriktion illegaler Angebote muss nachgedacht werden. Eine universelle Lösung steht noch aus.Labels: Podiumsdiskussion
posted by Christopher um 13:40 | Permalink
24.5.08
Blaukraut bleibt Blaukraut
(Podiumsdiskussion "Graphic Novels ? Neues Genre oder Marketing-Trick?")
"Deine Absicht erst gibt deinem Werke seinen Namen," soll schon Ambrosius von Mailand vor nicht ganz 2000 Jahren gesagt haben. Ralf Keiser (Verleger, Carlsen), Reinhard Kleist (Cartoonist, Cash), Dirk Rehm (Verleger, Reprodukt) und Denis Scheck (Literaturkritiker, Druckfrisch), unter Leitung von Klaus Schikowski, schlossen sich dieser These gleich zu Beginn der Diskussion an. "Graphic Novels - Neues Genre oder Marketing-Trick?" Die lapidare, einhellige Antwort: Eindeutig letzteres.
Auf dieser Grundlage konnte sich eine klare, informierte Diskussion entwickeln. Die Verleger Keiser und Rehm waren sich einig, dass ihre "Graphic Novels" sich als Comics von einer gewissen Dicke und mit einem gewissen qualitativen Anspruch definieren. In Herrn Keisers Haus sei die Sparte für "Alltagsgeschichten" reserviert, während Herr Rehm für Reprodukt sogenannte Genre-Werke nicht ausschliessen mochte - aber das war's auch schon, was Kontroversen anging.
Aus Sicht von Herrn Scheck seien Begriffe wie "Graphic Novel," "Novelle" oder auch "Hörbuch" schlicht Käse und letztlich auch irrelevant - man gehe ja schliesslich auch nicht ins Kino, um sich "Sehbücher" anzuschauen. Aber Scheck zeigte auch Verständnis für das Dilemma der Verkaufspraktiker Keiser und Rehm, die sich mit diversen Vorurteilen gegen das Medium Comic auseinandersetzen müssen und daher auf griffige, attraktive Bezeichnungen angewiesen seien. Keiser brachte den Manga als Beispiel und vermutete, dass der Boom darum wahrscheinlich keiner geworden wäre, hätte man den Leuten einfach "japanische Comics" andrehen wollen. Denn "Comics" waren ein alter Hut fürs Publikum, "Manga" aber war neu - oder klang zumindest so.
Der feingeistige Literaturkritiker Scheck wurde angenehm geerdet durch Herrn Kleist, der in seiner Art als vergleichsweise unprätentiös auffiel und zuweil gar erstaunte Grimassen schnitt, als Scheck in Sachen Eloquenz mal wieder in die Vollen ging. Seine äußerst erfolgreiche Johnny-Cash-Biographie (laut Herrn Schikowski bereits über 10.000 verkaufte Exemplare) habe Kleist nicht mit der Zielsetzung in Angriff genommen, eine "Graphic Novel" zu schaffen, sondern er habe erstmal ausgiebig recherchiert und dann erst beim Schaffensprozess festgestellt, dass es wohl auf einen dickeren Einzelband hinauslaufe.
Ein besonderes Augenmerk der Diskussion lag auf der Frage, wie denn der Buchhandel mit Comics - bzw. "Graphic Novels" - umgehe und in Zukunft umzugehen habe. Die beiden Verleger wünschten sich feste "Graphic-Novel"-Abteilungen in allen Buchläden, während Scheck forderte, nicht das Medium in den Mittelpunkt zu stellen, sondern das Thema. Ein begeisterter Cash-Leser etwa würde sich wahrscheinlich eher für weitere Biographien - gerne auch als Comic - interessieren als für Comics mit anderem Themen.
Comics, so Scheck, seien derzeit auf dem Weg vom kulturellen Nichtschwimmerbecken ins tiefe Wasser, und daher habe man nun die paradiesische Gelegenheit, sie nicht in Ghetto-artige Spezialecken zu verbannen, sondern sie, ganz selbstverständlich und nach Themen sortiert, dem ungleich breiteren Publikum der Prosa-Texte zugänglich und schmackhaft zu machen. Keiser und Rehm begrüßten zwar prinzipiell die steigende Anerkennung des Comics als "ernsthaftes" Medium, wie beispielsweise in den Feuilletons der FAZ und der Süddeutschen Zeitung, gaben aber beide zu, dass sich davon bisher leider wenig bis gar nichts in ihren Auflagenzahlen niederschlage.
Kurz vor Ende wurde, durch eine Zuschauerfrage angeregt, noch vor einer drohenden Überschwemmung des Marktes durch Comics gewarnt, die zwar als "Graphic Novels" verkauft würden, aber nicht den von Keiser und Rehm genannten Standards entsprächen, was wiederum zu Lasten der öffentlichen Wahrnehmung des Mediums gehen könne. Aus Zeitgründen konnte auf diesen durchaus interessanten Aspekt leider nicht mehr näher eingegangen werden.
Die Diskussion als solche darf dennoch ohne weiteres als gelungen betrachtet werden. Wir haben wieder etwas nachdenken und was dazulernen dürfen, und das ist - wie wir wissen - beileibe nicht selbstverständlich.
Anmerkung: Ein Tippfehler wurde korrigiert. Herr Scheck beschwerte sich natürlich über "Sehbücher," nicht über "Seebücher." Ob er etwas gegen Seebücher hat, ist der Redaktion nicht bekannt. Danke für den Hinweis in den Kommentaren! - mofLabels: Podiumsdiskussion
posted by Marc-Oliver um 17:30 | Permalink
Comics kulturell entschlüsselt?
(Podiumsdiskussion"Comics global")Wie bereits auf der Frankfurter Buchmesse 2007 (Gastland: Katalonien) finden auch auf dem diesjährigen Comic Salon wieder Versuche statt, uns fremde Kulturen mittels Comics näherzubringen. In diesem Jahr hat man sich dazu entschieden, China als Gastland zum Salon einzuladen.
In der aufwändig gestalteten Ausstellung "Manhua- Comic im China von heute", organisiert durch den Kurator Paul Derouet, wird dem Gastland die Möglichkeit gegeben, sich ansprechend zu präsentieren. Die jungen chinesischen Künstler wie Yao Fei La, nutzen diese Chance, um sich entsprechend in Szene zu setzen und werden sicherlich durch den Standort der Ausstellung im Kongresszentrum eine Vielzahl von Zuschauer anziehen. Zwischen Bambusträuchern und angelegten Holzwegen, vorbei an Feuchtgebieten, ziehen sich die Originale der Comicschaffenden, die uns vor die Aufgabe stellen, das ureigene Chinesische zu entdecken.
Eigentlich scheint es vollkommen ausreichend, die panels für sich und ihre Kultur sprechen zu lassen, doch kommt man manchmal einfach nicht umhin die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der einzelnen Nationen genauer herauszuarbeiten. So ähneln die ausgestellten Bilder doch immer wieder den Comics ihrer Nachbarn, den japanischen mangas. Um dem Zuschauer einen solchen Unterschied zu erklären, haben sich einige schlaue Leute das Konzept der Podiumsdiskussion ausgedacht: Dort treffen Künstler und Wissenschaftler, Verleger und Händler aufeinander, um über die verschiedensten Themen aufzuklären und den Zuschauer nach ca. einer Stunde später wissender zu entlassen.
Leider gelingt dieses Unterfangen im Bezug auf China nicht ganz so gut. Bei der Podiumsdiskussion "Comics Global", das moderiert wird durch den Berliner Journalisten Jens Balzer, treffen mit Sascha Hommer (deutscher Künstler), Guy Delisle (franko-kanadischer Künstler), Yao Fei La (chinesischer Künstler), Paul Gravett (britischer Comicwissenschaflter und Verleger) und Jaqueline Berndt (Manga-Forscherin) aufeinander, um den Comic als globales Medium zu diskutieren. Da so die verschiedensten Nationen vertreten sind, scheint die Ausgangssituation perfekt sein, um alle auch nur erdenklichen Fragen zu beantworten. Doch leider ist gerade diese Internationalität das Problem.
Yao Lei Fe, beginnt zunächst mit einer nicht enden wollenden Power-Point-Präsentation, die seine Comics (80°C) zeigt. Auf Anfragen aus dem Publikum seine Comics betreffend, kommt es zu den ersten Komplikationen: Sein Übersetzter arbeitet zwar sehr pflichtgemäß, aber dennoch scheint etwas nach mehrmaligem Hin und Her verlorengegangen zu sein: "Lost in Translation" wie Balzer treffend bemerkt. So erfährt das Publikum leider nicht, warum der Künstler 80°C als etwas Eigenständiges, etwas ganz Chinesisches bezeichnet. Aufschlußreicher dagegen ist der Beitrag von Guy Delisle, mit dem Balzer nach etwas 25 Minuten auf Englisch fortsetzt. Wir erfahren etwas über Delisles graphisch umgesetzte Aufenthalte in Nordkorea (Pjöngjang) und China (Shenzen). Er berichtet aus einer Region, die unterschiedlicher nicht sein könnte. Während in Nordkorea fast keine Comic-Industrie zu existieren scheint, so hört man doch von kleinen Künstlergruppen in China. Wir dürfen uns 2009 über sein neuestes Werk über Birma freuen.
Erst Jacqueline Berndt stellt die Frage, die wir eigentlich lösen wollten: Wie können wir Kulturen durch ihre Comics lesen, verstehen, ohne die komplette Kultur des Landes zu erforschen? Am Ende sind es gerade die produzierenden Kräfte, Paul Gravett und Sascha Hommer, die diese Frage beantworten: In ganz praktischer Manier organisieren sie Ausstellungen und produzieren internationale Anthologien (Orang), um den globalen Comic-Künstlern eine Plattform zu schaffen auf der man diese nicht diskutiert, sondern einfach liest. Und tatsächlich geht man aus dem Vortrag schlauer hervor. Die Lösung kann nur darin liegen, noch einmal den Weg durch die unwegsamen Pfade der "Manhua"-Ausstellung zu begehen und diesmal vielleicht ein bisschen genauer hinzuschauen.Labels: Ausstellung, Podiumsdiskussion
posted by Daniel um 14:14 | Permalink
23.5.08
Die Hochkultur zwischen den Kästchen
(Podiumsdiskussion "Comic und Literatur")
Eine fünfzigminütige Podiumsdiskussion zum Thema "Comic und Literatur"? Das kann ganz schnell mal in die Hose gehen. Dank Cartoonistin Isabel Kreitz (Der 35. Mai), Medienwissenschaftler Herbert Heinzelmann, Schriftsteller Thomas von Steinaecker, Literaturwissenschaftler Clemens Heydenreich und Moderator Christian Gasser darf man das waghalsige Experiment aber als rundum geglückt bezeichnen.
Das liegt zum einen daran, dass man sich frühzeitig entschied, eher in die Tiefe als in die Breite zu gehen, und zum anderen, dass man (fast) immer wusste, wovon man sprach. Wenn also Herr von Steinaecker beispielsweise zu bedenken gab, dass die Erzählweise des Comics wegen des Spielraumes zwischen den Kästchen ja eher bruchhaft sei, dann wollte man natürlich direkt ins Plenum rufen: "Ja, aber der McCloud!" War aber gar nicht nötig, denn Herr Heinzelmann war sofort zur Stelle, um an Scott McClouds Theorie zu erinnern. Die besagt schliesslich, dass sich die eigentliche, "unsichtbare Kunst" des Mediums eben dort, nämlich zwischen den Kästchen abspielt. Und das führt - bei einem guten Comic zumindest - mitnichten zu Bruchhaftigkeit.
Es wurde natürlich über das Zusammenwirken von Wort und Bild gesprochen, aber auch über den Ansatz, dass "Literatur" nicht zwangsläufig als Prosatext stattfinden muß. E und U wurden auseinanderdividiert und wieder zusammenmultipliziert, Lessing und Wilhelm Busch trugen ihr Scherflein zur Diskussion bei, und als Gedankenexperiment überlegte man sich, wie denn zum Beispiel Buddenbrooks als Comic umgesetzt werden könnte - lässt sich Manns charakteristischer Schreibstil in Bilder übersetzen, etwa durch Farbgebung? Was die Begrifflichkeit angeht, wurde die "Graphic Novel" zu recht in Frage gestellt, aber leider auch unzulässigerweise die "novel" mit der Novelle gleichgesetzt.
Unterm Strich bleibt, nichtsdestotrotz, eine durchweg gelungene Veranstaltung. Das liegt nicht nur am Sachverstand der Teilnehmer, sondern auch daran, dass diese nicht den Anspruch hatten, Fragen zu beantworten. Man war zufrieden damit, sie zu stellen. Nun gut: Wegen der Kürze der Zeit wurden nicht viele Fragen gestellt. Aber es waren die richtigen. Der geneigte Zuhörer bekam einen steilen aber nachvollziehbaren Einstieg in die Materie und wurde mit anregenden Denkanstößen in den Nachmittag entlassen.Labels: Podiumsdiskussion
posted by Marc-Oliver um 17:59 | Permalink
12.10.07
Lost in Catalan
Es scheint historisch so festgelegt zu sein, dass jedes Gastland bei der Frankfurter Buchmesse einen schweren Stand hat. In diesem Jahr wurde Katalonien eingeladen, eine autonome Gemeinschaft in Spanien, die nicht nur um eine größere Unabhängigkeit kämpft, sondern die auch mit Katalanisch ihre eigene Amtssprache besitzt. Weiter erschwert wird die Stellung des Gastlandes noch zusätzlich, wenn das Medium der Wahl ebenso eine Aussenseiterrolle einnimmt wie das Land selbst, sprich katalonische Comics.
Nachdem bereits am Mittwoch ein Vortrag über die Geschichte von katalonischen Comics stattfand (dieser Vortrag wurde überschattet von dem Zusammenbruch von dem Moderator Carles Santamaria), entschied man sich heute dafür, einige Künstler und Verleger zu einer Podiumsdiskussion einzuladen. Strategisch geschickt hatte man mit der Planung zusammengearbeitet und die Diskussion zwischen die atemberaubende, sechshundert Bilder umfassende Power-Point-Präsentation von Comicguru Scott McCloud und die Geburtstagsfeier von Carlsen Comics zum Vierzigsten gelegt. Nur wie es leider doch immer der Fall ist, verließen nach McClouds Amen die Massen schlagartig das Feld. Übrig blieb eine Handvoll Interessierte, deren Aufmerksamheit auch sofort auf eine harte Probe gestellt werden sollte.
Als der Moderator und Comic-Verleger Joan Navarro zügig in die Diskussion einsteigen wollte, blieben die meisten seiner Zuhörer verwundert auf der Strecke. Der gute Mann sprach Katalanisch mit der Geschwindigkeit eines rauschenden Wasserfalls. Obwohl man ihm Zeichen gab, den Vortrag doch bitte auf Englisch fortzusetzen, ließ er sich erst drei Sätze später stoppen. Er spreche zwar Katalanisch, Spanisch, Französisch und Italienisch, aber Englisch möge er nicht so sehr, teilte er in gebrochenem Englisch mit. Zum Glück für das Publikum fand sich ein Übersetzer. Der Retter des Nachmittags war Felix Sabate, Verleger des spanischen Verlags Ediciones Glenat, der die Diskussion mit seinen englischen Übersetzungen erst ermöglichte.
Zu diesen beiden gesellten sich der Comickünstler und Illustrator Miguel Gallardo, die Herausgeberin Laura, der in Amerika arbeitende Pasqual Ferry, Oriol Garcia und der Herausgeber Albert Monteys (El Jueves). So wurde das verbliebende Publikum mit der kompletten Bandbreite katalonischer Comickunst konfrontiert.
Was diese katalonische Comicszene von dem Rest Spaniens unterscheide, wollte Joan Navarro wissen. Man war sich bei dieser Frage einig, dass die Comics aus Barcelona und Valencia, den größten Städten in Katalonien, sich vor allem durch ihren Humor von den Comics aus Madrid, der Hauptstadt Spaniens, unterscheiden. Man führte diese Tatsache vor allem auf die Freiheit zurück, die die Künstler seit dem Tod Francos in ganz Spanien genießen.
Um dem Publikum einen Eindruck über die Motivation der Künstler zu geben, wurde jeder Einzelne danach gefragt. Die beiden wohl bekanntesten in der Runde, Max und Pasqual Ferry, nannten die Lust an einem noch jungen Medium, aber auch die Möglichkeit, den Traum von der Künstlerkarriere auszuleben.
Nach einer Krise der spanischen Comics in den Achtzigern sprach Moderator Navarro als nächstes von dem derzeitigen Comic-Boom, der vor allem durch die Graphic Novel zu erklären sei. Wie die Zukunft für katalonische Comics aussehe, wollte er wissen. Albert Montjes wandte ein, dass die Zukunft immer ungewiss sei, aber dass die derzeitige Entwicklung Hoffnung gebe und gut Möglichkeit für die Arbeit schaffe.
Als Comicgate nachfragte, warum man fast ausschließlich auf Spanisch veröffentliche und nicht in der Landessprache, gab man uns zu verstehen, dass dies ein rein industrielles Problem sei und dass man liebend gerne mehr katalonische Comics produzieren wurde, wenn es sich bezahlen ließe. Nur zwei der Anwesenden veröffentlichen derzeit auf Katalanisch. Während der katalonische Comic-Star Max bisher nur auf Spanisch veröffentlichte, hatte er nun einen Comic in seiner Landessprache produziert. Sein Kollege Oriol Garcia berichtete dagegen, dass er nur Comics auf Katalanisch produziere, was sich natürlich auch in finanzieller Hinsicht niederschlagen würde, sich also im Moment nicht lohnen würde.
Abschliessend kann man sagen, dass es sich sehr gelohnt hat, sitzenzubleiben und den Vertretern des Gastlands zuzuhören, denn so wurde einem eine kleine Welt ausländischer Comics präsentiert, die um ihre regionale Identität kämpft und dabei mindestens genausoviel Spannung und Potential in Sachen Comics beinhaltet wie jede andere Nation.Labels: Podiumsdiskussion
posted by Daniel um 17:23 | Permalink
11.10.07
Anstoß, Fehlpass, unentschieden
(Diskussion "Comics im Buchhandel - Graphic Novels und Autorencomics als Bestseller")
Obwohl die Buchmesse bisher nur dem Fachpublikum zugänglich ist, herrscht mancherorts schon ein unheiliges Gedränge. Nach kurzem Orientierungsrundgang, Rostbratwurst mit Pommes und überteuertem Kaffee bietet die Podiumsdiskussion "Comics im Buchhandel" daher eine willkommene Abwechslung. Unter Moderation von Stefan Hauck (Börsenblatt) plaudern Elisabeth Schiefer von der Buchhandelskette Thalia und die Verleger David Basler (Edition Moderne) und Steffen Volkmer (Panini) über die aktuelle deutschsprachige Comiclandschaft. Endlich was Ruhiges, Geordnetes, mit Stühlen.
Naja, bedingt geordnet. Genauer eingrenzen möchte man das Thema des Erlebten dann doch nicht. Schon bei der Definition des Begriffs "Graphic Novel" tun sich die Partizipanten schwer, was nicht weiter überrascht - schließlich konnte man sich bislang selbst in ihrem Herkunftsland, den Vereinigten Staaten, noch nicht auf brauchbare Maßstäbe einigen. Stefan Hauck wendet sich zunächst an Frau Schiefer, die sich redlich bemüht, sich der Materie deskriptiv zu nähern. Sie weiß, dass der legendäre US-Autor Will Eisner den Begriff "Graphic Novel" geprägt haben soll, spricht von "anspruchsvollen" Comics mit "einer gewissen Dicke," von "Einzelbänden" und "Autorencomics," und sie will auch Biographien nicht ausschließen. Die Herren Hauck und Volkmer einigen sich danach allerdings darauf, dass es sich auch bei Neil Gaimans Sandman "ganz eindeutig" um eine Graphic Novel handele. Schiefer nickt zustimmend, auch wenn Sandman natürlich weder ein Autorencomic und schon gar kein Einzelband ist.
Dass "Graphic Novel" frei übersetzt etwa so viel bedeutet wie "Comic-Roman," unterschlagen die Herrschaften leider. Auch, dass David Basler zur Klärung nicht viel beizutragen hat, überrascht kaum, denn der verkauft ja eigentlich Alben und braucht sich keine Sorgen darum zu machen, was andere Leute sich unter einer "Graphic Novel" vorstellen. So bleibt der Erkenntnisgewinn leider gering, aber das kann man - schließlich erfand Eisner der Legende nach den Terminus "Graphic Novel" Ende der Siebziger Jahre, um sein Werk A Contract with God einem "ernsthaften" Verlagshaus schmackhaft zu machen, und dabei handelt es sich genaugenommen nicht um einen "Roman in Comicform," sondern, wie der vollständige Titel A Contract with God and Other Tenement Stories andeutet, um eine Sammlung von Comic-Kurzgeschichten. Die Verwirrung hat also Tradition, und daran wird sich in absehbarer Zeit wohl auch nichts ändern.
Weiteres Thema ist die Auswirkung der Schwemme von Comicverfilmungen, die seit einigen Jahren anhält. Volkmer erklärt, dass in der Regel einen Monat vor Anlaufen des entsprechenden Films ein Anstieg der Comicverkäufe zu beobachten sei, welcher bis kurz nach dem Anlaufen anhalte. Nachhaltige Auswirkungen seien allerdings eher selten. Der Idee gegenüber, Comics in Buchhandlungen nicht in gesonderten Abteilungen anzubieten, sondern bei den verschiedenen Prosa-Genres einzuordnen, zeigt sich Schiefer skeptisch - dies würde das Comic-Angebot "entkernen," denn die geneigte Kundschaft erwarte einen gesonderten Comic-Bereich. Ferner würden Comic-Adaptionen bei Thalia generell nicht zusammen mit ihren Romanvorlagen präsentiert; dies habe in der Vergangenheit nicht funktioniert, und es bliebe daher die Ausnahme.
Ein gutes Titelbild allein wird bei Herrn Haucks Nachfrage nach dem "idealen Cover" von Herrn Volkmer weniger wichtig eingestuft als die Gesamtaufmachung eines Buches, welche einen Ausdruck seiner "Wertigkeit" darstelle. Besonders ansprechend in ihrer Wirkung seien Hardcover-Bände oder Cover, die mit Prägungen oder sonstigen Gimmicks verziert sind. Volkmer hebt die Bedeutung des Buchrückens besonders hervor, der im Regal - ob beim Händler oder zuhause - oft einen ersten Eindruck des Werkes vermittele und von Panini insbesondere dazu eingesetzt werde, Roman-Adaptionen für das Publikum als solche deutlich erkennbar zu machen, etwa durch die Hervorhebung des Autors. David Basler erwähnt, dass kleinere Verlage wie der seine praktisch keine Chance hätten, bei einer Kette wie Thalia unterzukommen - man sei im Buchhandel auf Ansprechpartner angewiesen, die sich nicht nur eine persönliche Comic-Affinität haben, sondern auch in der Lage dazu seien, einzukaufen, was bei Großketten so gut wie unmöglich sei. Aber Basler sagt, er wisse ohnehin, dass sein Publikum "beschränkt" sei. Keiner lacht.
Bei der Frage nach dem Verhältnis zwischen Eigenproduktionen und Lizenzausgaben muß Volkmer passen, denn Eigenproduktionen gibt's im Comicprogramm von Panini ja bekanntlich eher selten. Volkmer rettet sich über die Verlegenheit, indem er Eigenproduktionen im Romanbereich erwähnt. Er gesteht ein, dass Panini, was die Eigenproduktion von Comics angeht, "vielleicht" im Hintertreffen sei im Vergleich mit anderen Verlagen. Er überwindet sein schlechtes Gewissen aber schnell und fügt hinzu, dass man nicht wirklich daran interessiert sei, daran etwas zu ändern, denn man sehe sich in erster Linie als Lizenznehmer. Basler hingegen betont, dass von zwölf Büchern, die jährlich bei der schweizer Edition Moderne erschienen, zehn Eigenproduktionen seien. Er empfiehlt geneigten Autoren allerdings, sich nicht mit bereits fertigen Arbeiten an seinen Verlag zu wenden, sondern zunächst mit einer Synopsis und Reinzeichnungen vorstellig zu werden. Es sei sehr unwahrscheinlich, dass ein abgeschlossenes Album akzeptiert werde und unverändert zur Veröffentlichung komme.
Insgesamt verwirrt die Diskussion leider häufig mehr, als dass sie erleuchtet - vor allem deshalb, weil die Teilnehmer unsauber mit grundsätzlichen Begrifflichkeiten umgehen. Dass man nicht genau erklären kann, was eine "Graphic Novel" ist, mag, wie gesagt, verzeihbar sein. Aber ob Comics nun ein "Genre" (Hauck) oder ein "Medium" (Schiefer) sind, und worin der Unterschied besteht, das hätte man schon mal erläutern können. Und warum redet Basler die ganze Zeit über "Graphic Novels," wo Comics, wie sie bei seinem Haus erscheinen, seit jeher als "Alben" bekannt sind? Der Kreis der Mühe mit den Begrifflichkeiten schließt sich, als gegen Ende der Veranstaltung aus dem Publikum die kluge Frage kommt, was "Bestseller" in diesem Zusammenhang denn eigentlich bedeute. "Bestseller" im gebräuchlichen Sinn, wie man das von Romanen und Sachbüchern kennt? Oder einfach bloß bessere Comicverkäufe als früher? Herr Volkmer und Frau Schiefer drücken sich etwas um die Antwort und werfen ein, dass in diesem Zusammenhang auch "Longseller" - Bücher mit auf lange Sicht stetigen Absatzzahlen - wichtig sind und einigen sich im Endeffekt auf ein entschiedenes "Das kommt drauf an." Nichts genaues weiss man nicht.Labels: Podiumsdiskussion
posted by Marc-Oliver um 15:59 | Permalink