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27.01.2009
US-Comics und die Finanzkrise
(Comicmarkt USA)
Es hat ein wenig gedauert, aber langsam schlagen die schlechten wirtschaftlichen Nachrichten auch auf dem Comicmarkt durch. Zumindest in den USA ist dies der Fall. Kürzlich machte eine Meldung die Runde, die den sogenannten "Direct Market", also das System der spezialisierten Comicläden, wohl stark beeinflussen wird.
Der Vertrieb Diamond, der als Quasi-Monopolist für die Auslieferung (fast) sämtlicher Comics in die Comicshops zuständig ist, erhöht die Mindestsumme, die ein Comic einbringen muss, damit es weiter vom Vertrieb gelistet wird. Dies wurde Mitte Januar bekannt. Ein Comic muss bei Diamond Einnahmen von mindestens 2.500 US-Dollar erbringen, damit künftige Ausgaben weiterhin vom Vertrieb ausgeliefert und im Comic-Katalog Previews gelistet werden. Bisher lag die Grenze nur bei 1.500 Dollar.
Wie das Blog Robot 6@CBR vorrechnet, bedeuten 2.500 Dollar auf der Seite von Diamond etwa 6.000 Dollar beim echten Verkaufspreis. Ein durchschnittliches Comicheft für 3 US-Dollar müsste also mindestens 2.000 Stück verkaufen, um auf diesen Wert zu kommen.
Für die großen Verlage dürfte die neue "product order benchmark" kein großes Problem sein, kritisch wird es dagegen für alle kleineren Verleger. Die Folge könnte sein, dass viele Kleinverlage aufhören, Comics im Einzelheft-Format zu publizieren und sich noch stärker auf Comics im Buchformat konzentrieren. Damit würde jedoch die Möglichkeit entfallen, den Markt erstmal mit dem preisgünstigen Heft zu testen, bevor man später einen Sammelband herausgibt. Das Risiko wird höher, die Bereitschaft, nicht etablierten Künstlern und Autoren eine Chance zu geben, könnte sinken.
Für einige Kommentatoren bedeutet Diamonds neue Politik das Ende des Direktmarkts: Steven Grant sagt in seiner CBR-Kolumne: "Game over for the direct sales market."
Brian Clevinger, Autor des relativ erfolgreichen Indie-Comics Atomic Robo, schreibt: "Let me put it plainly. The basic model of getting new independent comics into shops is dead." Seine Schlussfolgerung lautet ähnlich wie bei vielen anderen Bloggern: Das Modell der letzten Jahre "Erst Einzelhefte, dann Sammelband" wird künftig mehr und mehr abgelöst werden von "Erst digital, dann als gedruckter Sammelband". Kein ganz neuer Trend im US-Comicmarkt, aber einer, der von Diamonds Beschluss verstärkt und beschleunigt werden könnte.
Dass es bei Diamond auch intern Sparmaßnahmen geben wird, wurde vergangene Woche bekannt: 13 Mitarbeiter werden entlassen, Gehälter werden reduziert.
Auch anderswo wird gekürzt: Beim Time-Warner-Konzern, zu dem bekanntlich DC Comics gehört, ist ein großes Sparprogramm angerollt: 10 Prozent der Stellen im Konzern sollen gekürzt werden. Erste Auswirkungen auf die Comics: Das MAD Magazine stellt sein Erscheinen von monatlich auf vierteljährlich um: Ab April 2009 erscheint das Heft nur noch quartalsweise, dies wird ausgerechnet die "Jubiläumsausgabe" #500 sein.
Bei DC Comics wird es mehrere Kündigungen geben, darunter auch eine prominente: Bob Schreck, der als Senior Editor für einige DC-Titel sowie für Vertigo zuständig war, muss gehen.
posted by Thomas um 10:46 | Permalink