Die Welt am Draht, das sind Kommentare, Informationen, Gedanken und natürlich News rund um die Welt der Comics und darüber hinaus.
18.11.2009
Comic-Börse in Köln-Mülheim
(Stell Dir vor, es ist Intercomic und alle gehen hin)
Mülheim. Nicht gerade die schönste Ecke Kölns. Ich steige am Wiener Platz aus, die Hände tief in den Manteltaschen vergraben, den Kragen hochgeschlagen. Irgendein Samstag im November: Alles grau in grau, gekrönt von Nieselregen. Vor den Eingang zur Stadthalle hat irgendjemand einen Parkplatz hingeteert. Zwei ergraute Herren kommen mir entgegen geschlendert. Jeder trägt zwei volle Plastiktüten. Sagt der eine zum anderen: "Ich hatte 500 Euro mit, hab 400 ausgegeben - is doch okay."
Als ich die Stadthalle betrete, schlägt mir sofort der typische Sammlermuff entgegen. Eine merkwürdige Mischung aus altem Papier, Schweiß, Zigaretten und etwas Undefinierbarem. Die Stadthalle Köln-Mülheim ist eine wahre Pracht. Ein 70er-Jahre-Bau mit riesigen Fenstern, an denen bestimmt schon das ein oder andere Rotkehlchen zerschellt ist. Die letzte Grundrenovierung der Halle ist wahrscheinlich ein Weilchen her. Wenn's überhaupt je mal eine gab. Aber die Halle wird gepflegt, das sieht man. Es ist sauber, wenig kaputt. Heute liegt hier ständig ein Plauderton in der Luft, der nicht laut, aber auch nicht zu überhören ist. Überall stehen Biertische ordentlich in langen Reihen. Es ist der 7. November 2009. Intercomic. Comicbörse. Zum 66. Mal seit der Krieg zuende ist. Gott sei dank!
Überall schlagen dem Besucher Tibor, Sigurd & Co. entgegen, aber auch viel US-amerikanisches und franko-belgisches Material. Und dankenswerterweise sind auch ein paar Künstler gekommen. Peter Wiechmann (Andrax) zum Beispiel. Oder François Boucq (Bouncer). Sarah Burrini (Das Leben ist kein Ponyhof), Spong (Tara oder der Marterpfahl der Leben heißt), David Malambré (demolitionsquad.de), Rudolph Perez (Commander Cork) und Peter Schaaff (Dämonika).
Ich ziehe die Hände aus den Taschen und schlage den Kragen zurück. Mir wird wärmer. Außer Comics gibt's noch jede Menge Zeug zu entdecken, das sich irgendwie dazugeschummelt hat: Bravos aus den 50ern, alte Taschenbücher, Videokassetten, ein 30cm großer Plastik-Dagobert... Was das Sammlerherz begehrt! Kronkorken und Briefmarken finde ich keine. Aber Ü-Ei-Figuren. Noch einmal sauge ich den eigentümlichen Duft ein, der auf dieser Veranstaltung lastet wie eine Wolldecke auf einer alten Frau.
Publikum ist genug da. Es ist voll, aber nicht so eng, dass man ständig geschubst wird und drängeln muss. Auf der Bühne kürt ein Perry-Rhodan-Fan irgendwen zum erfolgreichsten Illustrator Deutschlands oder Europas oder aller Zeiten, was weiß ich ...? Der Geehrte wird mehrmals für seine fabelhaften Bessy-Cover gelobt. Ich höre kaum hin, blicke nicht auf, wie die meisten anderen auch hier. Lieber weiter stöbern.
Plötzlich bemerke ich einen Mann in einer schmutzigen, gelben Daunenjacke. Ich habe ihn vorhin schon ein-, zweimal gesehen. Da saß er aber auf einem anderen Stuhl, in einer anderen Ecke. Comics hat er keine dabei. Ohnehin scheinen ihn die bunten Heftchen kaum zu interessieren. Erschöpft versucht er einen auffällig unauffälligen Eindruck zu machen. Ich tippe heimlich auf obdachlos, wärmt sich hier nur auf. Stört ja keinen. Zwei Jungs schlendern an einem Tisch vorbei. Sie sind vielleicht dreizehn oder vierzehn Jahre alt. Der eine zeigt dem anderen mit leuchtenden Augen ein neues, glänzendes Hulk-Tradepaperback.
Beim Hinausgehen fällt mir ein voluminöser Kerl auf. Er trägt einen Vollbart, weiße Socken und braune Ledersandalen. Neben ihm steht ein Rollköfferchen und ein Rucksack. Ewig lange faltet er eine Plastiktüte mit Comics hin und her, bis sie sicher genug verpackt sind und in seinen Rucksack passen. Als er gerade fertig ist, klopft ihm ein Kumpel im Vorbeigehen auf die Schulter: "Komm gut heim! Und gesund bleiben!"Labels: Börse, Comicmesse, Intercomic, Köln, Sammler
posted by Christopher um 18:27 | Permalink