Die Welt am Draht, das sind Kommentare, Informationen, Gedanken und natürlich News rund um die Welt der Comics und darüber hinaus.
28.10.2009
Essens Reste oder: Herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum
(Die Comic Action ging zum zehnten Mal über die Bühne)Ja, die Comic Action in Essen fand mal wieder statt und kaum einer hat's gemerkt. Dabei war es doch das zehnjährige Jubiläum der weiland vielversprechend gestarteten Comicmesse innerhalb der weitaus größeren internationalen Spielemesse SPIEL, die sich ursprünglich als zweites großes Comicevent neben dem Comic-Salon Erlangen etablieren sollte (dazu weiter unten mehr).
Dass die einst recht üppige Veranstaltung gegenwärtig nicht völlig abgenippelt ist und ein reines Zombiedasein als Händlerbörse führt, ist hauptsächlich einem umtriebigen Verlag aus Nettetal-Kaldenkirchhen zu verdanken. Ja, die oft gescholtenen Klebebildalben- und Superheldenverleger von Panini treiben nämlich Jahr für Jahr eine beachtliche Anzahl von Künstlern an ihren Stand, veranstalten einen Cosplay-Wettbewerb, der hier mangels anderer Programmpunkte von den meisten Anwesenden zur Abwechslung mal nicht als nervig, sondern als willkommener Farbtupfer empfunden wird, und schleppen einen Berg von limitierten Messeeditionen an.
Dieses Jahr durften sich Simpsons-Zeichner Phil Ortiz, Gelegenheitszeichner Joe Madureira (als Ersatzmann für den abgesprungenen Sean Philips), Joseph Michael Linsner (Conan, Dawn), Eva Hopkins (Dark Ivory), Clint Langley (Punisher, 2000 AD), Stjepan Sejic (Witchblade, Darkness) und dessen Frau Linda Luksic Sejic den Skizzenjägern stellen. Dazu gab es sage und schreibe 26 (!) Messeeditionen. Es erstaunt mich immer wieder, dass Menschen bereit sind, für einen Comic mit alternativem Cover und limitierter Auflage mehr Geld zu berappen - doch ich habe das Sammler-Gen auch nicht so wirklich in mir. Da auf der Comic Action die Künstlersketche auch noch an einen Messespezial-Pflichtkauf gebunden sind, überrascht es dann auch nicht weiter, dass sich manche Ausgabe vor Ort ausverkaufte.
Den strategisch günstigen Platz gegenüber von Panini in der Halle 9 der Messe Essen hatte sich dieses Jahr Eckart Schott für Salleck Publications gesichert. In der angrenzenden kleineren Halle 8 stieß man dann auf einen langen Gemeinschaftsstand, an dem Schwarzer Turm (inklusive Horst-Zeichner Geier und diversen Mangazeichnerinnen - hier wären Namensschilder mal hilfreich), der Comixene-Verlag JNK mit den Herren Jurgeit und Krismann und Levin Kurios Weissblech Comics untergekommen waren. Klaus Scherwinski (Hammerharte Horrorschocker, Transformers) steckte auch mal den Kopf rein, signierte aber hauptsächlich Rollenspielkram in der Nachbarhalle. Schräg gegenüber brachten Uwe Garske und Thomas Schützinger von der Edition 52 den frisch verlegten Jamiri-Band "Arsenicum Album" unters Volk und bekamen am Samstag zeichnerische Schützenhilfe von Unheimlich-Macher Miguel "Millus" Riveros. Den restlichen Platz füllten Händlertische und die Zeichnerallee, in der sich verlagslose Zeichner dem Publikum standgebührenfrei präsentieren dürfen. Dort fanden sich dann auch die Jungs vom Chemnitzer TheNextArt-Verlag, die im Krisenjahr auf einen eigenen Stand verzichtet hatten, sowie eine Abordnung der Toonlight-Cartoonisten. Das wars eigentlich schon. Nein, halt, in der benachbarten Rollenspiel-Halle gab es noch den Stand von IPP, der Ideenschmiede Paul & Paul, wo Ralf Paul und Co. neben den Restbeständen der früher mal unglaublich angesagten Helden-Comics ihr neues Standbein, nämlich Comic-Stadtführer, präsentierten. Eine eher besinnliche Jubiläumsveranstaltung, möchte man sagen. (Fotos von der CA finden sich übrigens hier.)
Was ist mit der Messe geschehen, auf der sich einst alles tummelte, was in der deutschen Comicszene Rang und Namen hat? Der Messe, der Comicologe Eckart Sackmann zu ihrem Start noch bescheinigt hatte, "eine Bereicherung der deutschen Comicszene" zu sein? Nun, die Gründe für das andauernde Ausbleiben vieler Verlage sind laut Aussagen unterschiedlicher Comicschaffender diese: Flaute in der Verlagskasse, miese Betreuung seitens der Messeleitung, zu hohe Standpreise, die terminliche Nähe zur Frankfurter Buchmesse und teils zu niedrige Verkäufe.
Dass die Comic Action im Laufe der Jahre derart den Bach runtergegangen ist, ist vor allem aus einem Grund bedauernswert: Durch ihre Einbettung in die mehr als gut besuchte Spielemesse ist hier jedes Mal eine riesige Masse an Nicht-Comiclesern vor Ort, die auf ihrem Weg durch die Messehallen auch durch den Comicbereich schlendert. Und einige Berührungspunkte zwischen Brettspiel-, Rollenspiel- und Sammelkarten-Fans auf der einen und Comic-Fans auf der anderen Seite sind ja durchaus vorhanden. Derart viele potenzielle Neuleser sind mit reinen Comicveranstaltungen wie dem Comic-Salon Erlangen jedenfalls nicht zu erreichen. Dass die Comic Action wieder zu alter Form aufläuft, ist mit Blick auf die oben genannten Gründe eher unrealistisch, aber vielleicht versucht ja der eine oder andere Verlag in Zukunft mal wieder sein Glück dort. Die diesjährigen Verkäufe liefen laut Turm-Herausgeber Mille Möller nämlich recht gut.
Um hier zum Schluss doch noch etwas Jubiläumsnostalgie aufkommen zu lassen, empfehle ich die Berichte über die Comic Action 99 und die Comic Action 2000, welche die Kollegen von comic.de damals zusammengestellt hatten. (Und die Bildergalerien haben mittlerweile einen wahnsinnig hohen Unterhaltungswert und dürften für so manchen Grinser sorgen.)Labels: Berichterstattung, Comic Action, Comicmesse, Edition 52, Messe, Panini, Salleck, Schwarzer Turm, Weissblech
posted by Andi um 13:10 | Permalink
19.11.2008
Attacke der Polit-Amazonen
(Neue Politikerbiografien, Obamas jüngster Comicauftritt und was unser Finanzminister so liest)
"Female Force"... das klingt nach allerknappsten Kostümen, überdimensionalen Brüsten sowie aufreizenden und anatomisch völlig unrealistischen Posen - wie eine Superheldinnenserie, die Image in den 1990ern rausgebracht hätte. Aber völlig daneben gedacht: Unter diesem Titel sollen die Comic-Biografien amerikanischer Politikerinnen erscheinen.
Nachdem sich IDW bereits die beiden Präsidentschaftskandidaten Obama und McCain in Comicform zur Brust genommen hat (worüber Daniel Wüllner ausführlich berichtete), widmet sich der Verlag Bluewater Productions im Sinne der Gleichberechtigung und der Hoffnung, ein paar Dollar am Politikzirkus verdienen zu können, nun den Frauen, "who are making and shaping modern history" (O-Ton Verlag). Biografien für Hillary Clinton und Sarah "Die Russen kommen" Palin sind für Januar bzw. Februar 2009 angekündigt. In Palins Fall wurden im Vorfeld extra zwei alternative Enden geschrieben und gezeichnet: Die (äußerst gruselige) Version, in der sie Vizepräsidentin der USA wird und die mittlerweile real eingetretene Niederlage. Im April soll dann ein Michelle Obama-Comic folgen. (Streng genommen ist sie natürlich keine Politikerin, aber zukünftig ohne Frage äußerst einflussreich.) Inhalt des Comics: Ihre Jugend in der South Side Chicagos, ihre berufliche Karriere und Einsatz für das Gemeindewesen sowie der Wahlkampf und der Aufstieg zur Ersten Frau im Staate... Gähn, ich weiß nicht, dann vielleicht doch lieber Superheldinnen in anatomisch inkorrekten Posen?
Oder wenigstens eine Mischung von Realität und Fiktion? Wie das geht, hat Erik Larsen vorgemacht, der bereits mit einem Titelbild für Furore sorgte, auf dem seine Kreation Savage Dragon Wahlkampf für Barack Obama betreibt. In einem Einseiter, der exklusiv für das Geek to Me-Blog des Chicago Tribune entstand, ließ er nun seinen grünen Helden erneut auf den zukünftigen Präsidenten treffen. Barack Obama selbst dürfte es gefallen, sich als Comicfigur zu sehen, ist er doch Medienberichten zufolge selbst Comicfan. Die Lieblingsserien des designierten 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten: Spider-Man und... Conan der Barbar! Und ich hätte schwören können, dass Conan eher Republikaner anspricht.
Passend zum Thema bekannte sich kürzlich auch ein deutscher Politiker als Comicleser, nämlich Finanzminister Peer Steinbrück. Der ehemalige Landesvater von NRW und erklärte Corto Maltese-Fan wurde auf der Intercomic in Köln gesichtet, wo er unter anderem einen Schnack mit den Edition 52-Verlegern Uwe Garske und Thomas Schützinger einlegte. Mehr dazu in diesem Artikel. Dem dortigen Foto nach zu urteilen, interessierte sich Steinbrück offenbar für Alex Robinsons "Ausgetrickst". Geschmack hat der Mann! Jedenfalls, was Comics angeht. Aber dieser Schal...Labels: Barack Obama, Edition 52, Politik, Savage Dragon, US
posted by Andi um 12:24 | Permalink