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Das Sprachlabor von Schwarzenbach – Interview mit Museumsleiterin Alexandra Hentschel

Seit August 2015 ist das Erika-Fuchs-Haus im fränkischen Schwarzenbach an der Saale fürs Publikum geöffnet. Das „Museum für Comic und Sprachkunst“ widmet sich in vielen Facetten der Kunstform Comic, der Kunstform Sprache und jener Frau, die beides unter einen Hut brachte: Dr. Erika Fuchs, die von 1951 an bis weit in die 1980er Jahre als Chefredakteurin der Micky Maus die amerikanischen Disney-Comics ins Deutsche übersetzte.

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Nach einem Einführungsfilm über das Medium Comic kommen die Besucher zunächst in ein „begehbares Entenhausen“, wo man all die berühmten Disney-Comicfiguren trifft, aber auch kleine „Ausblicke in andere Comicwelten“ nehmen kann. Im nächsten Raum wird die Biografie von Erika Fuchs als Comic erzählt, ehe man in eine Abteilung gelangt, die sich spielerisch mit der Fuchs’schen Sprache beschäftigt. Daran schließt sich eine Galerie mit Comic-Originalen bekannter deutscher Zeichner an, die eigens für das Museum gefertigt wurden. Den Abschluss des Rundgangs bietet eine reichhaltig sortierte Comicbibliothek.

Im neu erschienenen Comicgate-Magazin zum Thema „Text in Comics“ stellen wir das Museum in einem Artikel gründlich vor. Bei seinem Besuch in Schwarzenbach sprach Thomas Kögel auch mit Museumleiterin Dr. Alexandra Hentschel. Dieses Interview erscheint nun hier als Ergänzung zu dem Text im Print-Magazin.

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Comicgate: Frau Hentschel, sind Sie vorher selbst schon in der Materie Comic drin gewesen, oder kamen sie erst über die Ausschreibung der Museumsstelle dazu?

Alexandra Hentschel: Ich habe vorher schon Comics gelesen, aber nicht intensiv. Als Kind bin ich mit Asterix und Tim und Struppi aufgewachsen, dann habe ich – eher untypisch für ein Mädchen – MAD gelesen und fand das total cool. Und mit Anfang 20 dann Ralf König, das war meine Comic-Sozialisation. Einen akademischen Hintergrund habe ich in diesem Bereich aber nicht, ich komme aus dem Museumsbereich. Die Frage war halt, sucht sich die Stadt Comicexperten, die aber nicht wissen, wie Museen funktionieren, oder jemanden aus dem Museumsbereich, der sich erst in Comics einlesen muss.

Diese Leitungsstelle war öffentlich ausgeschrieben …

Ja, die war von der Stadt Schwarzenbach offiziell ausgeschrieben. Das war im Sommer 2012, ich habe dann im Februar 2013 angefangen.

 … als quasi noch nichts da war, oder? Was gab es denn schon zu dem Zeitpunkt?

Einen Schutthaufen, wo das alte Gebäude stand! Als ich beim Vorstellungsgespräch hier war, wollte ich mir mal das Gebäude anschauen. Aus den Entwürfen dachte ich immer, dass das alte Gebäude saniert und umgebaut wird, aber dann stellte ich fest, dass es abgerissen wurde. Aber abgesehen vom Gebäude gab schon ganz viel: 2006 hatte der Sammler Gerhard Severin den damaligen Bürgermeister getroffen und es gab die Idee, ein Museum zu machen. Aber irgendwann war klar, das reicht so nicht; um Fördergeber zu finden, musste ein Konzept her. Das kann weder ein Bürgermeister noch ein Sammler machen. Es wurde also die Ausstellungsagentur m.o.l.i.t.o.r. aus Berlin beauftragt, die ein Gesamtkonzept entwickelt und auch schon den Architekturwettbewerb begleitet hat. Die Kuratorinnen waren Petra Lutz, Claudia Rücker und Ira Klinkenbusch. Als ich dazu kam, war schon klar, welche Art von Ausstellung da reinkommt, sie war auch schon relativ weit gediehen. Damals stand schon fest, dass es ein begehbares Entenhausen geben wird, dass es einen Einführungsfilm geben wird, dass Erika Fuchs’ Biografie als Comic erzählt wird. Auch die interaktiven Stationen, um der Sprache nachzuspüren, und die Bibliothek standen schon im Konzept, das haben wir dann zusammen weiterbearbeitet und die Feinheiten besprochen.

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Und seit 2013 sind sie hier vor Ort und haben sowohl Konzeption als auch Erbauung des Hauses begleitet. Nun, dann ist ja ihre Arbeit jetzt getan!

Nein, zum Glück nicht, das wäre ja irgendwie doof. Die Eröffnung hat sich ja mehrfach verschoben, zum einen wegen normaler Bauverzögerungen, die es immer gibt. Dann hatten wir ein Drama mit einem Fußboden, der mehrfach rausgerissen wurde, das haben Sie wahrscheinlich in der Presse gelesen. Aber da muss man sagen, jede Presse ist gute Presse, wir waren auf jeden Fall präsent. Ich war dann mal in einem Comicladen in Hamburg und habe mich vorgestellt, und als Antwort kam dann „Ach, ihr seid das Museum mit dem kaputten Fußboden!“ Da dachte ich, na immerhin haben sie schon mal von uns gehört.

Dann gab es noch so viele Kleinigkeiten, dass immer unsicherer wurde, ob wir den Termin halten können. Erst anderthalb Monate vor der Eröffnung war klar, dass es tatsächlich klappen würde. Das war dann zu spät, um noch große Feierlichkeiten auszurichten. Aber am 1. August fangen die bayerischen Sommerferien an, da mussten wir einfach die Türen aufmachen, wir können nicht in den Sommerferien auch noch geschlossen sein. Mit den Kleinigkeiten, die da noch nicht funktionierten, konnten wir leben. Wenn da noch an einer Stelle ein Vorhang fehlt, dann fehlt der halt. Und im Oktober 2015 hatten wir den Festakt zur Einweihung. Einen Monat später begann dann die erste Sonderausstellung mit den Max-und-Moritz-Preisträgern, und so wird es weitergehen.

Und solche Wechselausstellungen sind auch in Zukunft geplant?

AH: Wir haben einen 100 m² großen Raum für Veranstaltungen, Sonderausstellungen und sowas. Die Ausstellung mit den Max-und-Moritz-Preisträgern soll es nächstes Jahr wieder geben. Nach dem Comic-Salon werden die Wiedensahler wieder eine Ausstellung zusammenstellen. Sie wird  erst dort gezeigt und wir werden sie wieder übernehmen. Als dritte Station wird diesmal auch das Cöln Comic Haus dabei sein. Es gibt ja schon lange den Wunsch, die vier Tage des Erlanger Festivals irgendwie zu verlängern.

In Wiedensahl im Wilhelm-Busch Geburtshaus-hieß die Ausstellung „Endlich Comic!“. Das passte dort, aber wir konnten das so nicht übernehmen. Das würde ja implizieren, dass wir bisher was anderes ausgestellt haben. Daher dann unser Titel „Die besten deutschen Comics“. Gerade Leute, die sich eher wenig auskennen, wissen dann, hier bekommen sie einen Überblick, was Experten derzeit als „das Beste“ bezeichnen. Das funktioniert ähnlich wie etwa „Schätze aus dem Guggenheim Museum“: Ich weiß, da ist Qualität, auch wenn ich sie vielleicht nicht erkenne.

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Ich finde es bemerkenswert, dass hier gesagt wird, es geht nicht nur um Donald Duck. Das steht natürlich im Mittelpunkt, es ist aber kein Donald-Duck- oder Disney-Museum.

Nein, deshalb auch dieser Einführungsfilm. Denn wenn man ganz realistisch ist: 90 Prozent der Bevölkerung haben ein Micky-Maus-Heft oder ein Lustiges Taschenbuch und einen Asterix-Band gelesen, und das war’s. Da muss man erst mal erzählen, um was für eine Kunstform es sich handelt. Wenn ich in ein Töpfereimuseum gehe, geht’s da auch nicht nur um die lokale Tradition, sondern es erklärt wahrscheinlich erst mal, was Lehm ist und kommt irgendwann zur Entwicklung der Töpferscheibe. Ich kann ja nicht etwas wertschätzen, wenn mir jeder Hintergrund fehlt. Die Leute sollen hier nicht als Comicexperten rausgehen, aber zumindest eine Grundlage bekommen. Und dann gibt es eben diese unterschiedlichen Ebenen: Wenn ich gar keine Ahnung habe, kann ich in diesem Museum trotzdem Spaß haben, glaube ich. Ich sehe diesen Film und werde feststellen, dass ich doch so vieles wiedererkenne, obwohl ich wenig Ahnung von Comics habe – das hört man dann in den Reaktionen der Besuchergruppen. Zum Beispiel denkt beim Stichwort Comics niemand an Prinz Eisenherz, aber wenn sie ihn dann sehen … alle kennen ihn, und wenn nicht, kennen sie zumindest seine Frisur. Und Entenhausen selbst ist ja auch ikonisch. Onkel Dagobert ist DAS Synonym für Reichtum. Wir hatten schon ältere Besucher, die sagen, sie haben mit Comic gar nichts am Hut, aber die erkennen dann Dinge aus ihrem eigenen Leben wieder. Sie erinnern sich, dass sie die Comics nie lesen durften. Oder das Zitateraten: Auch da findet man Dinge, die man doch kennt, auch wenn man nie Comics gelesen hat. Je mehr man kennt, desto mehr er-kennt man wieder, und wenn man wirklich Fan ist, dann kann man schauen, ob man schlauer ist als die Museumsmacher, kann schauen, ob man alle Fenster in andere Comicwelten erkennt oder sich am Ende an den Originalzeichnungen erfreuen. Es gibt also für jede Ebene und für verschiedene Altersstufen Ansatzpunkte. Neulich war eine französische Reisegruppe da, aus einer Partnergemeinde, mit 70 Leuten, alle im Rentenalter. Die hatten so viel Spaß schon an dem Film, die haben da quasi alles erkannt. Ihren Kassenwart haben sie kichernd ins Talerbad geschmissen und erzählten mir dann, dass sie ihn immer Oncle Picsou, also Onkel Dagobert, nennen.

Ihnen macht die Aufgabe hier also Freude und gefällt ihnen.

Ja, total! Das macht einfach Spaß, auch die Rückmeldungen zu hören, wie begeistert die Leute sind. Auch, als da auf einmal diese Schulklasse von lauter Acht- bis Zehnjährigen total still ist, weil sie alle lesen. Es ist schön zu sehen, dass man an etwas beteiligt ist, was die Leute annehmen und ihnen gefällt. Auch Familie Fuchs war schon da und hat mir sehr schöne, positive Rückmeldungen gegeben.

Ich finde auch, dass der Einführungsfilm sehr schön zeigt, was Comics sind und sein können. Den könnte ich auch meiner Mutter oder meinem 10-jährigen Neffen zeigen und beide würden’s verstehen, glaube ich. Das fand ich sehr gelungen, auch dass es nicht zu sehr eingeengt ist, zum Beispiel nur auf Kindercomics oder nur auf seriöse Graphic Novels.

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Bei den Originalzeichnungen [in der Sektion „Hommage an Erika Fuchs“] war es wirklich schwierig. Wir hatten überlegt, wen wir um eine Hommage bitten. Wir wollten Männer und Frauen dabei haben, welche, die schon lange im Geschäft sind und welche, die erst ganz neu dabei sind, wir wollten verschiedene Zeichenstile und verschiedene Genres. Dann haben wir erst mal Ideen zusammengetragen, haben uns Preisträger angesehen und auch Experten wie Andreas Platthaus oder die Leute von der Comicbibliothek Renate oder von Verlagen befragt. Und erst nach einem halben Jahr fiel auf: „Voll peinlich, es gibt ja auch Manga in Deutschland!“

Das passiert leider oft, auch bei uns in der Redaktion, dass man an Manga als letztes denkt oder es ganz vergisst. Ein bisschen ist die Mangaszene ja ihre eigene Welt, die nie so richtig zusammengefunden hat mit den Comiclesern. Schade, aber schwer zu ändern, daher muss man immer aufpassen, dass Manga nicht unter den Tisch fällt.

Ich war zufällig in Erlangen mit Martina Peters zusammengerasselt und wir kamen ins Gespräch. Und sie hatte zum Glück Zeit. Ich habe ihr versichert, dass sie nicht das gesamte Genre repräsentieren muss und einfach sie selbst sein darf.

Diese Aktion mit den Hommagen hat auch Spaß gemacht. Wir haben den Zeichnern keinerlei Auftrag gegeben, sondern nur ein paar Sätze zur Auswahl geschickt. Wir haben allen sechs Sätze geschickt und sie gebeten, eine Geschichte im eigenen Zeichenstil zu zeichnen. Und es sollte sich keiner genötigt fühlen, Enten zu zeichnen, es sei denn, man wollte das schon immer mal machen.

Hat dann ja auch fast niemand gemacht.

Nicolas Mahler, aber natürlich auf ganz besondere Art. Und Flix, wobei mir das zuerst gar nicht aufgefallen ist. Auf den ersten Blick ist es eindeutig Flix, und dass er sich da mit Entenschnabel zeichnet, ist mir erst beim zweiten Hinsehen aufgefallen.

Es gab nur zwei Absagen aus zeitlichen Gründen, aber sonst haben alle zugesagt, die wir gefragt haben.

Damit schafft man auch einen schönen Bezug. Man kommt aus dem – ich nenne es mal „Sprachlabor“ – heraus und sieht, das ist nichts Historisches, Abgeschlossenes, sondern es geht weiter, die Comickultur ist lebendig.

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Sprachlabor, das ist auch schön! Der Raum hat so verschiedene Namen. Bei den Bauleuten war das immer der „Zack-Bumm-Peng-Raum“. Das steht ja auf dem Boden geschrieben. Und für uns ist es der „Sprachkunstraum“, aber „Sprachlabor“ ist auch wirklich schön. Das klaue ich ihnen vielleicht!

Das ist wirklich ein schöner Raum, da geht auch das „für Jung und Alt“-Konzept gut auf. Wie zufrieden sind Sie denn bisher mit den Besucherzahlen?

Am Eröffnungstag waren es bei freiem Eintritt 1.600 Besucher. Die nicht mitgerechnet, haben wir jetzt, Mitte Mai, insgesamt 18.500 Besucher. 20.000 ist das Ziel für das erste Jahr. Wir haben also bisher einen ziemlich guten Schnitt. Auch die Medienbegleitung war unglaublich. Seite 1 der Süddeutschen, ganze Seite im Spiegel. Als es dann in der 20-Uhr-Ausgabe der Tagesschau war, dachte ich wirklich „Boah!“ Und auch jetzt berichten immer wieder verschiedene Medien über das Museum.

Würden Sie sagen, dass die etwas abgelegene Lage von Schwarzenbach eher ein Fluch oder ein Segen für das Museum ist?

Also, inwiefern es ein Segen sein könnte, kann ich mir jetzt nicht vorstellen. Fluch ist aber auch übertrieben. Klar, in einer Stadt wie Hamburg hat man einfach eine ganz andere Menge von Menschen, die direkt im Einzugsgebiet leben. Das macht natürlich ganz viel aus. Andererseits gibt es dort auch sehr viel mehr, was sonst passiert. Für die Region hier ist das schon echt was Besonderes, auch die Tourismusorganisationen wollen alle mit uns zusammenarbeiten. Insofern ist es ein Segen, dass das Konkurrenzprogramm in der Region deutlich überschaubarer ist. Wir spüren zum Beispiel auch einen Effekt von Veranstaltungen wie den Festspielen in Bayreuth. Leute, die von weiter her zu den Festspielen fahren und zwei, drei Tage bleiben, kommen dann auch noch zu uns. Die Tagesbesucher kommen etwa aus dem Umkreis von 150 Kilometern. Chemnitz, Amberg, Nürnberg, sogar Rosenheim. Das weiß man zum Beispiel dadurch, dass morgens das Telefon klingelt und man gefragt wird, wie lange heute geöffnet ist. Es gibt auch Leute, die auf der Strecke München-Berlin einen Zwischenstopp einlegen. Von der A9 sind es nur 15 bis 20 Minuten zu uns. Da hat man in den Sommerferien an der Straße viele Münchner oder Berliner Kennzeichen gesehen. Da hat uns auch die enorme Presse sehr geholfen.

Zurück zur Konzeption: Gab es da auch Ideen oder Konzepte, die wieder verworfen werden mussten, weil sie sich nicht verwirklichen ließen?

Der Raum, in dem jetzt die Originalzeichnungen hängen, war anfangs ganz anders konzipiert. Er hieß „Entenhausen ist überall“, nochmal so eine multimediale Überwältigung, mit 20 Monitoren, sehr voll. Da habe ich mir erstens schon über die Stromkalkulation Gedanken gemacht, und dann gab es eben mehr den Wunsch, die heutige Comicszene ins Museum zu bringen. Die Frage war, wie man dazu eine Verbindung bekommt. Ich kann ja nicht einfach sagen „Schluss, aus, jetzt hängen hier auf einmal deutschsprachige Zeichner“. Warum? Ja, es sind Comiczeichner, aber irgendeine Verbindung muss ja sein. Und dann entstand die Idee mit den Zitaten. Eine andere Überlegung war, die Zeichner zu bitten, Entenhausen in ihrem Stil zu zeichnen. Aber Erika Fuchs hat Entenhausen ja auch nicht gezeichnet, sie hat getextet, also sollte es um ihre Sprache gehen. Das war schon ein Prozess, der lange hin und her ging, bis wir gesagt haben, das wird jetzt wirklich ein Kabinett, in dem einfach die Originale hängen. Damit fährt man auch ein bisschen runter zum Ende der Ausstellung. Es beginnt – buff! – mit diesem Film, dann Entenhausen, dann in diesem Sprachraum sehr viel, was man machen kann, aber der ist zumindest farblich schon mal zurückgenommen. Und dann folgt eben diese Galerie und danach die Bibliothek, so kann man auch emotional wieder runterkommen.

Es gab ansonsten wie bei wahrscheinlich jeder Ausstellung auch Ideen, die man dann nicht verwirklicht hat, weil es doch nicht funktioniert oder weil die Umsetzung unverhältnismäßig teuer wäre.

Als ich im begehbaren Entenhausen stand, fragte ich mich: Was sagt eigentlich Disney dazu? Gab es irgendwelche Copyrightfragen, mit denen Sie sich beschäftigen mussten?

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Unser Ansprechpartner war Ehapa. Die sind schon lange der Lizenzwahrer in Deutschland. Eine Zeitlang habe ich jede Woche mit jemandem bei Ehapa telefoniert, bis ich ein Gefühl dafür hatte, was wir machen dürfen, was man veröffentlichen darf, wenn man selber was produziert. Zum Beispiel bei den Talern im Geldspeicher, was können wir darauf abbilden? Verkaufen dürfen wir die dann aber nicht, deshalb gibt es die Taler im Shop nur mit dem Logo des Museums darauf, und nicht wie oben im Ausstellungsraum mit dem Porträt von Emil Erpel.

Aber klar, das war schon eine Sache von Absprachen. Auch bei den „Fenstern in andere Comicwelten“ brauchten wir überall die Genehmigung. Es sind zum Beispiel keine Superhelden dabei, weil wir da einfach gar nicht an die Rechteinhaber rangekommen sind. Bei einigen war es so, dass der deutsche Verlag die Vermittlung übernommen hat, bei anderen war es noch einfacher. Bei Donjon meinte der Ansprechpartner von Reprodukt: „Lewis Trondheim sagt, das ist okay, macht das mal.“ Bei manchen mussten wir Lizenzgebühren bezahlen. Bei Tim und Struppi heißt es: „Wenn Sie irgendwas wollen, kommen Sie erst mal persönlich zu uns nach Brüssel und dann reden wir.“ Aber dann durften wir es auch verwenden.

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Die Biografie von Erika Fuchs als Comic – stand schon von Anfang an fest, wer die zeichnen wird?

Ja, als ich hierher kam, war schon klar, dass es Simon Schwartz macht, der hatte auch schon angefangen zu zeichnen. Er ist halt einer der Zeichner, der sich im Metier der Biografien bewegt. So gesehen wäre auch Reinhard Kleist vielleicht eine Wahl gewesen, viele andere auch.

Aber da gab es keine Aussschreibung oder sowas.

Nein, Simon Schwartz wurde von uns angefragt, vorab abgesprochen mit Leuten, die sich auskennen.

Nochmal zurück zum Sprachlabor: Stammen alle Ideen dazu von der Agentur?

Einige standen schon fest, zum Beispiel das Onomatopoetische Kabinett und das Übersetzungsterminal, andere Sachen haben wir auch abgeändert. Die Ausstellungsagentur macht viele moderne Ausstellungen mit sehr viel Einsatz von elektronischen Medien. Und ich komme aus einem Kindermuseum, da sage ich dann auch mal: Bei einem Zufallsgenerator muss man doch nicht tippen, können wir nicht stattdessen einen zwanzigseitigen Würfel bauen? Das war dann doch schwierig, jetzt haben wir eben zwei zehnseitige. Für mich ist auch wichtig, dass es was zum Anfassen und Selbermachen gibt, eine Wand, auf die man selbst was drauf schreiben darf, das darf man ja sonst im Museum nicht. Jetzt ist es eine ganz gute Mischung aus Sachen, die man wirklich von Hand macht und auch technisch ausgefeilten Medienstationen. Bei dem Zitateraten haben wir uns gefragt: Was macht den Bildungsbürger, oder eigentlich jeden Besucher, wirklich glücklich? Bestätigt zu bekommen, wie schlau man ist! Ich habe Faust erkannt! Oder ich habe Gitte erkannt! Es macht Menschen glücklich, bestätigt zu werden. Es gab auch andere Ideen, die uns letztlich zu komplex waren oder zu viel Platz brauchten.

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Die Ausstellungsagentur hatte das Raumprogramm vorgegeben. Die Architekten wussten also schon, sie haben ein Grundstück, das bebaut werden muss, das sehr lang und schmal ist, einen Höhenversatz von drei Metern innerhalb des bebaubaren Platzes hat, und es muss eine Ausstellung hineinpassen, die ein Rundgang ist und nacheinander aus folgenden Räumen besteht: ein Raum 30m², ein Raum 130m² und so weiter. Die Größe der Räume war also für die Architekten schon vorgegeben. Wie sie die anordnen, war ihre Sache. Ein Architekt hat den Wettbewerb gewonnen, danach hat wiederum die Agentur die Räume, die der Architekt dann baute, wieder aufgegriffen. Zum Beispiel ist das Sprachlabor architektonisch ganz interessant, wegen der Decke: Die ist, genau wie das Dach, mal höher und mal tiefer. So ist dieser Raum ganz verwinkelt, und das haben wiederum die Ausstellungsgestalter aufgegriffen. Das war also ein hin und her. Zuerst gab es das Konzept für den Inhalt, dann erstellt der Architekt die Hülle für den Inhalt. Und danach müssen wir die Gestaltung des Inhalts wieder an die Hülle anpassen und schauen, wie man die einzelnen Stationen in diesem Raum unterbekommt.

Was mich ziemlich überrascht hat, ist die große Comicbibliothek am Ende des Rundgangs.

Die normale Form, wie man Comics wahrnimmt, ist halt in gelesener Form. Alles andere sind Adaptionen. Selbst wenn wir in Ausstellungen Originalzeichnungen an die Wände hängen … das ist toll, das muss man im Museum auch so machen, aber eigentlich liest man Comics in Heften, Alben und Büchern. Von daher war klar, da muss eine Bibliothek mit dazu.

Das allererste Regal sind Werke von den Zeichnern, von denen wir auch Originale im Museum haben, danach dann die von den Fenstern in andere Comicwelten. Damit man alles nachlesen kann, was man in der Ausstellung gesehen hat. Und Disney ist natürlich die größte Wand. Bei Comics für Erwachsene, Superhelden und ähnlichem, ist es dann etwas sparsamer, weil da die Bandbreite so groß ist, dass eine Auswahl sehr schwer fällt. Das ist auch nicht unser originäres Thema. Bei den Kindercomics wollte ich eine gewisse Auswahl haben, auch weil viele Schulklassen zu uns kommen. Die sind auch ganz überrascht: Neulich waren 35 Viertklässler da, und man kam rein und es war komplette Stille in der Bibliothek.

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Die haben alle in die Regale gegriffen und gelesen …

Ja, manche sind auch schon ein bisschen zu cool um zu lesen, Dann versuche ich immer mit ihnen zu wetten, dass ich was finde, was sie gut finden. Und irgendwas finde ich dann meistens schon.

Zusätzlich haben wir auch noch Sekundärliteratur, das gehört auch dazu. Und wenn es nicht um Comics allgemein geht, dann steht sie immer bei dem Thema, um das es geht. Die Sekundärliteratur zu Hergé steht neben den Tim und Struppi-Alben, bei Asterix genauso. Sonst liest man es nicht. Die einzige Chance, dass man reinguckt, ist, wenn es direkt neben den Primärwerken steht.

Es gibt bestimmt nicht viele Bibliotheken in Deutschland, die so einen Comicbestand haben.

Ja, bis auf die großen Zentralbibliotheken in Städten wie z.B. Hamburg. Dort habe ich mich auch ein bisschen inspirieren lassen, wie sie es aufgeteilt haben. Wir haben da lange drüber nachgedacht. Alles was nach Genres oder nach Autoren aufgeteilt ist, geht eigentlich an den meisten Besuchern vorbei. Die meisten wollen gar nicht speziell irgendwen lesen, und wenn doch, finden sie es trotzdem. Man soll da als Nicht-Experte reinkommen und sofort etwas finden, was man angucken möchte. Die Bibliothek kann auch gerne noch wachsen.

Kaufen Sie auch gezielt Sachen dazu?

Die Entenhausen-Bücher stammen fast alle aus der Sammlung von Gerhard Severin. Daneben war klar, dass wir die Comics der ausgestellten Künstler in die Bibliothek aufnehmen. Das war eine Mischung aus Ankauf und Augenaufschlag bei den Verlagen, die uns diese Bücher gespendet haben. Gerade bei den Kindercomics wollte ich eine relativ große Auswahl haben. Was wir nicht haben, sind zum Beispiel Manga, das ist stark unterrepräsentiert, auch weil es zu viele Serien sind. Wenn ich anfange, bestimmte Serien zu sammeln und damit jahrelang beschäftigt bin, dann ist das uferlos. Das gleiche gilt für die meisten Superheldencomics. Alben haben da den Vorteil, dass sie meistens abgeschlossen sind.

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Ich habe gelesen, dass Andreas Platthaus dem Museum sein Manuskript von einem langen Interview, das er mit Erika Fuchs geführt hat, stiftet. Wird so etwas auch dem Publikum zugänglich gemacht?

Nein, das ist ein Dokument, das nicht öffentlich freigegeben ist. Er hat es dem Museum gegeben, wir können es lesen und erforschen. Manchmal werden wir gefragt, wie wir die Comics aus den 1950er Jahren zugänglich machen. Antwort: Gar nicht. Ich gehe auch nicht in die kostümhistorische Sammlung und erwarte, dass ich das Rokoko-Kleid anziehen darf. Das steht da hinter Glas und wird ausgestellt oder liegt sogar geschützt im Archiv. Und ich kann auch kein Heft aus den Fünfzigern zum Blättern dahin legen. Es ist auch nicht möglich, alle Bestände abzuscannen. Wenn Herr Platthaus es hätte veröffentlichen wollen, hätte er es vielleicht schon getan.

Wenn jemand wissenschaftlich zu Erika Fuchs forschen und da gerne Einsicht nehmen würde, könnte er sich aber schon an Sie wenden?

Das müsste man dann absprechen. Nur weil jemand uns ein Dokument gegeben hat, heißt es nicht automatisch, dass jeder reinschauen darf. Natürlich ist jedes Museum auch eine Forschungsstätte, aber nicht jeder Papyrus ist dokumentiert und digitalisiert. Wir wollen schon auch solche Dinge sammeln, aber aktive Forschungsarbeit findet im Moment im Museum nicht statt. Das Museum besteht aktuell aus mir und diversen Kassenkräften, das ist nicht so viel Personal. Was schon passiert, ist eine Inventarisierung der Sammlung, die ist im Moment noch eine Ansammlung von Dingen. Es gibt sehr viel, was man tun kann und tun könnte, aber da muss man auch realistisch sein, dafür bräuchte man einen Mitarbeiterstamm aus Wissenschaftlern und Fachleuten. Meine Aufgabenbeschreibung ist eine andere.

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Die letzte Frage dreht sich um den Museumsshop: Wie wurde dieses Angebot zusammengestellt?

Die Auswahl habe ich zusammengestellt. Dass man da auch Comics anbietet, war irgendwie klar, aber dann ist auch gleich die Frage, welche. Klar, die Künstler, die bei uns ausgestellt sind, natürlich Disney, aber was wählt man darüber hinaus aus? Allein von Ralf König gibt es Dutzende Bücher.

Man kann da keinen ganzen Comicshop ersetzen.

Stimmt, aber die nächste Comicfachhandlung ist erst in Nürnberg. Da ist das hier für die Gegend schon die bestsortierte Comichandlung. Trotzdem können wir hier kein Vollangebot anbieten.

Gibt es einen Überraschungsbestseller?

AH: Dinge wie die Erika-Fuchs-Biografie von Simon Schwartz und auch das Buch von Ernst Horst [Nur keine Sentimentalitäten] oder der Stadtplan von Entenhausen laufen gut, das ist klar. Aber danach kommt gleich die „Phrasendreschmaschine“. Von der habe ich erst mal zehn Stück bestellt, weil ich sie ganz lustig fand. Nach ein paar Tagen habe ich schon zwanzig nachbestellt und nach ein oder zwei Wochen habe ich gesagt, „Schicken Sie mir gleich Hundert, das ist sonst irgendwie albern“. Die sind bis Weihnachten sicher weg. Das passt zwar super rein, aber dass dieser Gag in dem Maße verkauft wird, hätte ich nicht gedacht. Auch die Duckomenta-Sachen wandern nur so von den Regalen weg. Gut gehen auch Dinge wie die Lustigen Taschenbücher, die wurden zwar nie von Erika Fuchs übersetzt, aber kosten halt nur wenig Geld und sind „voll im Etat drin“. Aber auch andere Artikel: Im Einführungsfilm kommen ja unter anderem die Comics von Tardi zum Ersten Weltkrieg vor, und auch die haben sich in kurzer Zeit schon mehrfach verkauft, das hat mich überrascht.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Alle Fotos: Thomas Kögel

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