Berichte & Interviews
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Comic-Salon 2016: Das Messe-ABC

Vier Tage war volles Programm in Erlangen, und obwohl wir schon während des Comic-Salons einiges aufgeschrieben haben, ist noch längst nicht alles gesagt. Jetzt lassen wir den Salon noch einmal Revue passieren, und zwar – wie schon in den vergangenen Jahren – in Form eines Alphabets, in dem wir unsere ganz subjektiven Eindrücke von vier Tagen Festival mit einem Überangebot an Comics und Drumherum wiedergeben. Hier sind die Erinnerungen, Beobachtungen und Anekdoten der anwesenden Comicgate-Autoren plus Gastautorin Anja:

A

Ansprechpartnerin
Kurz vor Beginn des diesjährigen Comic-Salons benannte das Salon-Team auf seiner Facebook-Seite die Messeleiterin, Tanya Häringer, zur Ansprechpartnerin für jedwede Fälle, in denen sich Besucherinnen sexuell belästigt fühlten. Schade, dass so etwas nötig scheint (ich selber habe nie dergleichen auf einem Comicfestival erlebt), aber wenn dies hilft, dass Frauen mit einem besseren Gefühl – oder gar überhaupt – zum Salon kommen, ist es diese Maßnahme auf alle Fälle wert. Es ist dem Kulturamt Erlangen hoch anzurechnen, dass es die Anfragen dazu im Vorfeld ernst genommen und darauf reagiert hat. (fp)

Auktion
Auch Comicgate-Redakteure hatten am Samstag bei der kurzweiligen ComicAuktionErlangen, einer Open-Air-Versteigerung von Originalzeichnungen, – zum Teil erfolgreich – mitgeboten. Wie bestellt fing es eine Minute vor Beginn zu regnen an, was anfänglich zu einer leichten Bieterlethargie zu führen schien, später aber dem Ganzen keinen größeren Einhalt bot. Der Ausarbeitungsgrad der dargebotenen Stücke reichte dabei von einer groben Zeichnung, wie man sie auch als kostenlosen Sketch nach Anstehen erhalten könnte, bis hin zu detaillierten Originaldoppelseiten aus erschienenen Comics. Künstler Reinhard Kleist, Initiator dieser Veranstaltung, machte dabei eine gute Figur als reizender Assistent des Auktionators Matthias Wieland, der hier eine Berufung gefunden zu haben schien. Der Gesamterlös von 9.700 Euro sowie die Carlsen-Ergänzung um 300 Euro wurde von der Stiftung Educate above all zugunsten der UNHCR-Aktion “Educate A Child” auf 20.000 Euro verdoppelt und dient als Spende zur schulischen Bildung von Flüchtlingskindern im Tchad. So viel Spaß der Bieterwettstreit zu einer Originalseite von Émile Bravo vor Ort machte – ein fades Geschmäckle hinterließ dann doch die nachher von mehreren Seiten kolportierte Behauptung, dass es zu diesem Stück Absprachen gab. (fp)

Die Auktionatoren Wieland und Kleist. Foto: Frauke Pfeiffer

Foto: Frauke Pfeiffer

Das Finale der Versteigerung einer Originalseite von Émile Bravo:

Ausverkauft
Wenn im Laufe des Salons alle Exemplare eines Comics über den Standtisch wandern, ist das für die Verlagsmenschen/KünstlerInnen entweder Anlass zum Jubeln (weil das Werk viel besser lief als erwartet) oder sich zu ärgern (weil sie die Nachfrage völlig falsch eingeschätzt haben) – oder beides. Oft ist der Grund für den flotten Abverkauf auch eine überraschende Auszeichnung. So im Falle von Joachim Brandenbergs Tobisch, der nicht nur für den Max-und-Moritz-Preis nominiert war, sondern am Salon-Donnerstag auch den ICOM-Preis als „Bester Independent-Comic 2016“ einheimste. Als ich mich am Sonntag auf abschließender Einkaufstour zum Stand des Jaja Verlags begab, war der Band dort längst ausverkauft – wie ich später erfuhr aber nur vorübergehend. Da hat die Verlegerin offenbar ihre Hausaufgaben gemacht und noch während des Salons fix nachgeordert – oder noch überraschend einen Karton voll Exemplare hinterm Stand gefunden. Soll auch schon passiert sein. (av)

AA

Anonyme Alkoholiker
Betrunken Bockspringen, Torkeln, Kotzen … Wenn das französische Künstlerduo Ruppert & Mulot ein Vorsprechen für eine Theateraufführung eines Schweizerischen Verbandes der Anonymen Alkoholiker inszeniert, muss es zwangsläufig in der Katastrophe enden. Freunde des bizarren Humors kommen in den subversiven Phantasien deshalb voll und ganz auf ihre Kosten. Mit der noch bis zum 26. Juni im Stadtmuseum Erlangen gastierenden Wanderausstellung „Das kleine trunkene Theater“ reiben sich Ruppert & Mulot wiederholt an gesellschaftlichen Tabus und führen gleichzeitig ihre Experimente mit Vorläufern der Kinematographie fort. Hatten sie im Comic Affentheater noch auf Phenakistiskope gesetzt, übertragen sie dieses, auf der Trägheit des menschlichen Auges beruhende, Prinzip nun kongenial in die dritte Dimension. Sorgfältig ausgeschnittene und auf Plattenteller montierte Ensembles von Papierfiguren rufen im Licht des Stroboskops unheimliche Bewegungsillusionen hervor. Ein Treppensturz wirkt wie ein Filmriss und erinnert an die Reihenfotografien eines Eadweard Muybridge. Ist Retro jetzt schon wieder Avantgarde? (ac)

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Foto: Alexander Christian

B

Boys Love
Auf dem Comic-Salon war der Autor schon häufiger, dieses Jahr allerding zum ersten Mal allerdings als Moderator eines Panels. Thematisch ging’s bei japanischer Homoerotik ein paar Kilometer über den Durchschnittshorizont der comicaffinen Erlangen-Reisenden, dann auch noch im etwas abgelegenen NH-Hotel und dann auch noch parallel zum potenziellen Skandal-Panel über Irgendwas-mit-Satire. So schwankte der Autor dann also im Vorfeld tagelang zwischen der Überzeugung, dass eh niemand kommt, und dem Anspruch, jetzt doch das Beste rauszuholen, wenn man der Salon-Orga als Entschädigung schon ein paar Übernachtungen dafür aus dem Kreuz geleiert hat. Wenn dann auch noch eine Jaqueline Berndt, der man eigentlich unmöglich noch irgendetwas Neues erzählen kann, im Vorfeld ihre Publikumsteilnahme ankündigt, schlägt man sich auch gerne noch während des Salons die Nächte für die Präsentation um die Ohren, was angesichts der dichten Partytaktung gar nicht so einfach ist. Tröstlich ist jedenfalls die spätere Erkenntnis, dass wohl alle Panel- und Vortragsverantwortlichen in Erlangen noch bis auf den letzten Drücker an ihren Vorbereitungen schrauben (also abgesehen von Matthias Wieland, der sich einfach gar nicht erst vorbereitet). Noch tröstlicher ist dann das prall gefüllte Plenum im NH-Hotel, dessen Veranstaltungsraum nicht einmal allen Interessenten einen Sitzplatz bieten kann, die muntere Diskussionsrunde nebst Martina Peters, Kami und Christian Allmann, ein höchst angetanes Publikum, das gerne noch stundenlang weiter diskutiert hätte, und eine Jaqueline Berndt, die unbestätigten Gerüchten zufolge in Abwesenheit des Autors ihre helle Begeisterung über das Panel kundgetan haben soll – möglicherweise deshalb, weil der Autor sie auf den ihr bis dato noch unbekannten deutschen Gay-Manga-Zampano Jasdavi (NSFW) aufmerksam gemacht hat? Zurück bleibt jedenfalls ein versöhnliches Gefühl der Befriedigung und die Einsicht, dass das Stündchen Talkrunde die ganze Mühe am Ende doch irgendwie wert war.* (md)

* Einen Videobeweis muss der Autor hier leider schuldig bleiben, waren doch alle auf dem Salon in Einsatz befindlichen Kameraaugen auf das zeitgleiche Satire-Panel gerichtet, um eventuell fliegende Fetzen aus möglichst vielen Blickwinkeln dokumentieren zu können.

C

Ceren Oykut – Swimmers in the Field
Die unkonventionelle Präsentation der türkischen Künstlerin Ceren Oykut hat eine merkwürdige Faszination auf mich ausgeübt. Leider gehörte die Ausstellung in der Neuen Galerie des Kunstvereins Erlangen zu denjenigen, die sich nur schwer erschließen ließen, eben „ein verdichtetes Bild eines unbegreiflichen Panoramas, das die Absurdität des täglichen Lebens widerspiegelt“, wie es im Katalog dazu heißt. Schade, denn so werden Chancen vergeben, in einen Dialog zu treten. Die rohe Ursprünglichkeit der raumgreifenden Ausstellung hätte sicherlich auch anderen Ausstellungen gut zu Gesicht gestanden. (ac)

Foto: Alexander Christian

Foto: Alexander Christian

D

„Danke“
Viel mehr bekam ein auffallend großer Teil der diesjährigen ICOM-Preisträger bei der Entgegennahme der Urkunden einfach nicht heraus. Ich weiß, Comickünstler sind in der Mehrheit nicht unbedingt die großen Rampensäue, aber einige Worte, und wenn es Grüße an die Oma Richtung Splashcomics-Kamera sind, würden dem Ganzen ein bisschen mehr vom nötigen Preisverleihungspathos geben. Ein paar Rührungstränen gehen auch immer gut. (av)

E

Einkäufe
Gekauft habe ich diesmal nur wenig: Obacht Lumpenpack! von Zwerchfell, The Order of Things von Kwimbi, Ein Sommer am See von Reprodukt, ein paar Captain Berlin-Hefte von Weißblech, Circus Irritans von Schwarzer Turm sowie Große Freiheit, den sehr schön aufgemachten Kiezcomic, den Fabian Stoltz, Anja Kasten und Michael Schmid im Selbstverlag rausgeben. So ausschließlich independent war ich bisher noch nie, insgesamt sind es aber diesmal eher etwas zu wenige Einkäufe. (cm)

Entenhausen
Bei einem Spaziergang durch die Gassen von Erlangen sind mir immer wieder liebevoll dekorierte Schaufenster aufgefallen. Bei all den Cosplayern, die sich grüppchenweise rund um den Salon tummelten, war es dann auch kaum verwunderlich, dass ein findiger Händler sogar fliegende Orient-Teppiche im Sortiment führt. Kenne die Wünsche Deiner Kundschaft! Entsprechend haben viele Händler anlässlich des Salons Comics als Thema aufgegriffen. Bei Galeria Kaufhof wirkten die losen Comicseiten, die sich wahllos über den Boden der Schaufenster verteilten, noch wie ein verzweifelter Versuch, etwas von der Aufmerksamkeit der Besucher zu erhaschen. Dabei ist es sehr zu begrüßen, dass sich viele Einzelhändler Comics gegenüber aufgeschlossen zeigen. Die inhabergeführten Geschäfte der Altstadt werben beispielsweise unter dem Motto „Leben findet Altstadt“ sogar mit einem einseitigen Comic von Allen Shaw. Das Reisebüro Reiselust schickt seine Kunden gar nach Entenhausen. Wer bis zum 17. Juni das älteste Micky-Maus-Heft vorlegt, den nimmt Inhaber Michael Popp mit auf eine persönlich geführte Tagestour nach Entenhausen. (ac)

Foto: Alexander Christian

Foto: Alexander Christian

Erlanger Stilleben

Foto: Christian Muschweck

Foto: Christian Muschweck

Erstbesuch
war es für mich, und zu Beginn etwas unübersichtlich. Am Ende blieb das Gefühl, viel mehr erlebt haben zu müssen, als ich geschafft hatte. Dafür lädt das hübsche Städtchen Erlangen einfach viel zu sehr zum Urlaubmachen ein. Dank der lieben Kollegen von Comicgate und anderen war es mehr Klassenfahrt als steife Messe. (ssv)

F

Frauenquote
„Die Szene ist viel weiblicher geworden“ tat Salon-Chef Bodo Birk im Comicgate-Interview kund. Schauen wir mal, wie und ob sich das dieses Jahr in den Gremien und Preisverleihungen widergespiegelt hat:

Max-und-Moritz-Preis:
5 einzelne Preisträgerinnen, 1 Frauen-Duo, 1 gemischtes Team (Wunderfitz) wurden ausgezeichnet; insgesamt gab es 10 Preiskategorien.

Max-und-Moritz-Jury:
3 von 7 Plätzen hatten Jurorinnen inne.

ICOM-Preis:
1 Künstlerin, 1 Verlegerin ausgezeichnet; insgesamt gab es 7 Kategorien.
1 von 4 lobenden Erwähnungen ging an eine Frau.
Der „Lebensfenster“-Jubiläumspreis ging an eine Künstlerin.

ICOM-Jury:
1 Jurorin von 4.

Organisationsteam des Comic-Salons:
8 Frauen und 2 Männer.

Comicgate-Crew vor Ort:
1 Frau und 11 Männer …
(av)

Fußball
Da der erste Vollmond nach Frühlingsbeginn und damit einhergehend Ostern dieses Jahr sehr früh war, fand Fronleichnam/der Comic-Salon heuer schon Ende Mai statt. Und weil sich die UEFA bei der Planung der Europameisterschaft leider nicht nach dem Osterfestkreis richtet, gab es dieses Jahr kein parallel stattfindendes Fußballgroßereignis. War mal was anderes. (fx)

G

Gesprächsrunden
Kollege Wederhake hat ja in seinem Erlangen-Tagebuch ganz treffend bemerkt, dass die Ausstellungen zu wenig Kontext bieten und wie willkürlich zusammengestellt wirken. Den Eindruck hatte ich auch, allerdings waren in diesem Zusammenhang die Gesprächsrunden gerade zu den exotischen Themen ein echter Augenöffner. Nach der Runde im NH-Hotel mit dem Thema „Frauenbilder – Indian Women fight back“ erschloss sich mir die Bedeutung des ausgestellten Materials und wurde zur rundum gelungenen Illustration des Panels. Trotzdem schade, dass sich die Hintergründe nur dem erklären, der sich zufällig in die richtige Talk-Runde verirrte. (cm)

Gwendoline
Wo bekomme ich eigentlich ein antiquarisches Exemplar von Sweet Gwendoline? Lucky Luke-Hefte zum Kilopreis und US-Marvel-Comics sind ja gut und schön, aber so ergiebig war der Shopping-Ausflug in der Innenstadt von Erlangen für mich dann nicht – hilft sparen, also schon okay so. (ssv)

H

Herbert Heinzelmann
hat Samstagabend seine Stunde in den Lamm-Lichtspielen, in der es um den bösen Joker ging, aufgezogen wie ein Proseminar: „Und weiß noch jemand, wie der erste Auftritt des Jokers war?“, „Woher hat der Joker eigentlich seine Gesichtsfarbe?“, „Was ist das eigentlich, das Böse?“. Die Wortmeldungen kamen mehr oder weniger immer vom gleichen, gut vorbereiteten Musterschüler, der Rest war froh, dass er nicht aufgerufen wurde. Auch ich hab mich mal gemeldet: Als Herr Heinzelmann wissen wollte, warum der Joker gerne tötet, meinte ich, „weil er’s kann“. Das war nicht ganz die gewünschte Antwort, aber zumindest wurde die Mitarbeit anerkannt. Am Ende hätte es eine Diskussion geben sollen, die leider aus zwei Minuten betretenem Schweigen bestand und dann in etwa mit den Worten aufgelöst wurde „Dann gehen Sie in Herrgotts Namen nach Hause“. (Die Angst vor dem stillen Klassenzimmer mal wieder. Nichts ist im Unterrichtsraum unerträglicher als Stille.) Schade eigentlich, aber ich wollte einfach nicht der erste sein, der sich in der Schlussrunde mit steilen Thesen blamiert. Als zweiter oder dritter überaus gerne. Aber gleich zu Beginn den Ober-Nerd rauszukehren, das war zu viel verlangt. (cm)

I

Indische Comics
konnte man in der Ausstellung auch durchblättern. Sie sehen aus, wie Graphic Novels weltweit nun mal so aussehen. Erstaunlich, dass die Comics aus dem Independent-Sektor ebenso globalisiert wirken wie deren kommerzielle Pendants (teilweise sah’s aus, als wäre das die neue Schiene des Avant-Verlags). Beim gewählten Bildbeispiel haben mir die Kommentare auf der Rückseite gefallen. Da sieht man auch, wo die Einflüsse zuhause sind. (cm)

Foto: Christian Miuschweck

Foto: Christian Muschweck

Indische Comics II
Die Zeichnerin, mit der ich in der Ausstellung ein paar kurze Worte wechseln durfte, erkannte mich sofort wieder als denjenigen, der im Panel „Indian Women fight back“ gefragt hatte, ob die anwesenden Künstlerinnen auch durch Bollywood-Musicals beeinflusst waren (und sei es, um sich von diesen Stereotypen bewusst abzugrenzen). Tatsächlich sind die Frauen durch ganz andere Dinge bewegt. Beispielsweise durch einengende Rollenmuster und Traditionen, die Aufarbeitung von Familiengeschichten, teilweise aber auch die bewusste Auseinandersetzung mit Mythen und Märchen. Sicherlich ist auch dieses Themenspektrum ein globales Phänomen. (cm)

J

Jiro Taniguchi
Das Panel „Der Brückenbauer – Die Welt von Jiro Taniguchi“ half dabei, die erweiterte Retrospektive zum Werk des japanischen Mangaka zu erschließen. Christian Gasser, Lars von Törne und Corinne Quentin, Taniguchis Agentin, ermöglichten darin tiefe Einblicke in Taniguchis Arbeitsweise und gaben eine willkommene Handreichung zur Ausstellung, die auf den wenigen erläuternden Tafeln etwas kurz geraten war. Als Brückenbauer verbindet Taniguchi in seinen Arbeiten japanische mit europäischen Comictraditionen. Im Gegensatz zu rasanten Actionmangas erzählt er seine neueren Geschichten völlig unaufgeregt, ja nahezu statisch, in Panels mit detaillierten Hintergründen, die uns zur Versenkung einladen. „Chill-out-Zonen in der hektischen Mangawelt“, wie es Gasser treffend formulierte. Die Botschaft dahinter: In einer Welt, in der sich die stets betriebsamen Großstadtbewohner immer mehr von ihrer Umwelt zu entfremden drohen, ist es wichtig, dass wir lernen, innezuhalten. Der Weg dorthin führt über eine ausgewogene Mischung aus Zenbuddhismus und Spaziergangswissenschaft. Für den Anfang dürfte es helfen, einmal ohne Smartphone aus dem Haus zu gehen. (ac)

K

Kleiner Strubbel
Zugegeben, einige der Ausstellungen des diesjährigen Comic-Salons drohten, haltlos in den bedeutungsoffenen Raum der Kunst abzudriften. Da habe ich mich besonders darüber gefreut, dass ich am Sonntagmorgen unversehens in die interaktive Ausstellung „Trubel mit dem Kleinen Strubbel“ in der Ladengalerie Altstadtmarkt gestolpert bin. Aber vielleicht liegt darin auch die eigentliche Kunst: die Welt mit den Augen eines Kindes zu sehen. Die Bastelbögen mit dem Lehmriesen-Türanhänger von Anke Kuhl habe ich jedenfalls gerne mitgenommen. (ac)

Foto: Alexander Christian

Foto: Alexander Christian

Kurzweilig
… war das Warten für SkizzenjägerInnen am Stand von Dani Books, weil Verleger Jano Rohleder eine Videokamera samt kleiner Leinwand aufgestellt hatte und man so den KünstlerInnen Giovanni Rigano, Flavia Scuderi und Federico Nardo beim Zeichen auch mit etwas Abstand hervorragend über die Schulter blicken konnte (im Comicforum hat der Verleger Bilder gepostet). (av)

L

Lob
Ausdrücklich loben möchte ich das Organisations- und Helferteam des Salons, das ich mal wieder als ausgesprochen hilfsbereit, unkompliziert und entspannt erlebt habe. Wer öfters Messen und ähnliche Veranstaltungen besucht, weiß, dass das alles andere als selbstverständlich ist. (av)

Lucky Lukes
… sah man selbst nüchtern jede Menge auf dem Salon, als besondere Form des Cosplays: Egmont Ehapa feierte damit das 70. Jubiläum der Comicreihe. Bei Ex-Comicgateler Christopher Bünte braucht’s noch nicht mal die Kippe/den Zahnstocher im Mund zum Erkennen. (fp)

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Foto: Frauke Pfeiffer

M

Manga
… gab sich dieses Jahr erstaunlich integriert in das Erlanger Comic-Karussell. Diverse Panels, Vorträge, Publikationen, Ausstellungen, Gäste (sogar eine extra aus Japan eingeflogene Kan Takahama) und die Speerspitze der Kyotoer Manga-Forschung mischten sich überraschend nahtlos in den Salonbetrieb und stellten Interessierten einen vielschichtigen Einblick in die fernöstlich geprägte Comic-Kultur zur Verfügung. Die Herzensausstellung des Salons widmete sich gar Jiro Taniguchi, dem europäischsten aller Mangaka gleich nach Taiyo Matsumoto. Die beeindruckenden Originale der Ausstellung, die nach dem Modell japanischer Studioarbeit geschätzt auch zu mindestens 20 Prozent von Taniguchi selbst umgesetzt waren, boten einiges fürs Auge – sofern man denn eine Taschenlampe dabei hatte, um die Dämmerungsstimmung im Ausstellungssaal zu durchdringen. Den insgesamt positiven Eindruck zur Manga-Repräsentation in Erlangen konnte auch die selbsternannte dicke Tante auf der Max-und-Moritz-Gala nur geringfügig schmälern, die es sich natürlich nicht nehmen ließ, zum dritten Mal in Folge im Zusammenhang mit dem deutschen Manga-Nachwuchs einen gewissen Bill Kaulitz zu namedroppen, einfach um nochmal zu unterstreichen, dass kein noch so eklatantes „Hellagate“ bis zu ihrem Herzen durchsickern kann. Wenigstens verdreht der Rest von Comic-Deutschland angesichts ihres Auftretens mittlerweile ebenfalls die Augen, was dann wohl der endgültige Beweis ist, dass langsam zusammenwächst, was zusammengehört. (md)

Mansplaining
… war durchaus ein Thema auf dem Comic-Salon und bemerkte ich dieses Jahr zum ersten Mal selber. Ironischerweise vor allem bei es bezüglich Frauenpräsenz gutmeinenden Männern, die es häufiger ein bisschen zu gut meinten. (fp)
siehe auch “Performativ”

Moga Mobo
Politische Comics standen im diesjährigen Comic Culture Clash von Moga Mobo und Epidermophytie im Mittelpunkt. Mit dabei: Russland vs. Ukraine, Kurden vs. Türkei, Festung Europa vs. Wirtschaftsflüchtlinge, regionale Anbieter vs. Wirtschaftsmonopolisten uvm. Die Ausstellung dazu auf dem Messe-Vorplatz war ein Hingucker und hat Lust auf mehr gemacht, nur leider habe ich den Clash dann immer ganz knapp verpasst. Gut, dass es ab Juli eine gedruckte Fassung als Dokumentation dazu gibt. Neugierige Frage: Überwiegt die satirische Provokation und die Verfestigung des eigenen Standpunktes oder kann ein Perspektivenwechsel Lösungswege aufzeigen? (ac)

Foto: Alexander Christian

Foto: Alexander Christian

N

Notgroschen
konnte man wieder einmal nicht genug dabei haben. Wie jedes Jahr ist das Programm und die kreative Vielfalt dermaßen erschlagend, dass es schon fast buddhistischer Ruhe und Selbstdisziplin bedarf, um nicht täglich das geplante Vier-Tage-Budget zu überziehen. Selbst ein Dagobert Duck würde hier die Spendierhosen anziehen. (al)

Nur ganz kurz
Physikalisch nicht exakt fassbare Maßeinheit für Zeit auf dem Comic-Salon. Trifft man sich auf dem Salon „nur ganz kurz“, kann das bedeuten, dass man sich ein Maximum von 7,5 Sekunden gesehen, bewunken und augenbrauengegrüßt hat (die sog. „Erlanger fünf Sekunden“) oder aber dass man sich zwar im Vorübergehen sah, dies aber im nächsten Moment vergessen hat. Allerdings bezeichnet „nur ganz kurz“ auch die Zeit zwischen 0.35 Uhr und 5.20 Uhr, in der man „nur ganz kurz“ in den Schwarzen Ritter reingeschaut hat. (sd)

O

Organisationsteam
siehe  „Lob“

P

Pauli
Er war, als einer der beständigsten Gäste von deutschen Comic-Großveranstaltungen, dieses Jahr nicht anwesend. Schade. (fx)

Pauli II
Schade? Wie Mann’s nimmt. (mof)

Parade – Comics aus Flandern und den Niederlanden
Ausstellungen, die einfach nur gerahmte Comicseiten an den Wänden zeigen, hinterlassen bisweilen einen schalen Beigeschmack. Stehen die Seiten aber in einem Kontext, laden sie zu Vergleichen ein und ermöglichen einen offenen Austausch direkt vor den ausgestellten Werken, wie er selbst in einem gut sortierten Comicshop so nicht möglich wäre. In der Ausstellung „Parade“ im Kunstmuseum Erlangen lieferten die Belgier Brecht Evens, Ben Gijsemans, Olivier Schrauwen, Simon Spruyt und der Niederländer Guido van Driel ein gelungenes Gastspiel ab. Nicht nur, weil etwa die gezeigten Seiten aus Ben Gijsemans „Hubert“ den Arbeitsprozess der Comiczeichner veranschaulichten – ein echter Mehrwert, den andere Ausstellungen vermissen ließen. Vielmehr legten sich die Gäste auch in ihrer Werkstatt im Rathaus mächtig ins Zeug, zeichneten und druckten mit einem Risographen Tag für Tag eine neue Ausgabe des Magazins Parade. Hut ab! (ac)

Foto: Alexander Christian

Foto: Alexander Christian

Performativ
Dass es trotz Fortschritts noch einiger Läuterung bedarf, was die Gleichstellung der Frau in der comicdeutschen Bundesgesellschaft anbelangt, konnte mensch miterleben im Rahmen der Aussprache „Frauen in der Comic-Branche“ am Sonntag. Wieso neben der Moderatorin Helbling, der Autorin Yelin und der Verlagsfrau Witkowski noch der Autor Hommer und der Verlagsmann Kaps an den Podiumsersatztischen des NH-Hotels Platz nahmen, hätte mensch fragen können, tat aber niemensch; Rechenschaft darüber legte auch die Moderatorin Helbling nicht ab. Letztere bat im Anschluss an eine längere Einführung ihrerseits vielmehr den Autoren Hommer um seine „Stellungnahme, Vermutung, These, keine Ahnung, zur Frage, wo die Relevanz des Themas ‚Frauen in der Comic-Branche‘ heute liegt/liegen könnte“. Der Autor Hommer fragte immerhin zurück, wieso „gerade ich“ (lies: gerade er, schlechterdings als Er, eben der Autor Hommer) beginnen solle – ein erster zaghafter Fingerzeig in Richtung der Mega-Metaproblematik der Veranstaltung, des Rüssels im Raume. (Pars pro toto intended.) Er (der Autor Hommer) tat es dann aber dennoch (beginnen), obgleich er einen Hehl aus seiner Unlust zu machen keine Notwendigkeit sah. Im weiteren Verlauf der Diskussion benannte er fernerhin den Missstand, dass ihm (dem Autoren Hommer) in beruflichen Dingen „eigentlich immer“ sofort die Kompetenz zugeschrieben werde, sobald er einen Raum nebst Kollegin betrete, was ihm „mittlerweile sehr peinlich“ sei. Kaum war durch die Simultanreflexion des Autoren Hommer das Scheitern der ja noch im Gange befindlichen Diskussion im Spiegelbilde der gesellschaftlichen Realitäten jenseits Berlin-Mittes nunmehr in seiner ganzen Unübersehbarkeit quasi in flagranti greifbar geworden, setzte die Moderatorin Helbling noch eins drauf, indem sie ihn (den Autoren Hommer) um ein Schlusswort ersuchte, was er ablehnte, noch ehe sie ausgesprochen hatte, um das in Inhalt und Form einheitliche Lehrstück auch seinerseits nicht ohne Pointe verstreichen zu lassen. So funktioniert eben Patriarchat: zur Not auch widerwillig. Wie zum Ausgleich für erlittene Erkenntnisse wurde die Runde noch Zeuge der ambulanten Emaskulierung eines als Fragesteller maskierten fünfminütigen Mansplainers aus dem Saalpublikum (es kamen zur Sprache: das Jahr 1984, das Jahr 1986, die 1990er Jahre, die 1970er Jahre, das Jahr 1988; sowie Dänemark als „Comic-Eldorado im hohen Norden“) durch den Autoren Hommer. (mof)

Publikum
Richtig rund lief das nicht in der Kinderstunde mit Isabel Kreitz und Andreas C. Knigge. Erst ging der Computer nicht, und später, als der Ersatzlaptop eingerichtet war, waren die beiden so in ihre Performance und ihr Publikum vertieft, dass sie vergaßen zu überprüfen, wie die Projektion hinter ihnen eigentlich aussah. Was muss man die Stars aus der Kunstszene aber auch selbst für ihre szenische Lesung rumdaddeln lassen. Die brauchen einen persönlichen Techniker an die Hand. Zum Glück war das Publikum geduldig und hat willig technische Unterstützung geliefert – oder auch mal „Vollbild“ geschrien, wenn die Optik der Präsentation nicht passte. Und die Kinder waren ja sowas von brav und geduldig. (cm)

Publikum II
Eigentlich hätte Tobi Dahmen bei der Max-und-Moritz-Gala ja nur kurz aufstehen und am Rand seiner Sitzreihe seine Tanzschritte zeigen sollen, aber dann kam der Ruf „Bühne“ aus dem Publikum. Der Rest ist bekannt: die Mod-Hymne „My Generation“, stoisches Tanzen, ein Kick in die Luft und Dosenbier. Andere kriegen die Preise, Tobi hat die Musik. Und ein eigenes Meme. (cm)
siehe auch „Tanzen“

Q

Qual der Wahl
Als Teaser zur Ausstellung im Keller zeigte Ultra Comix im Schaufenster ein kleines Diorama zu Fahrradmod von Tobi Dahmen. Dort steht der ratlose Protagonist vor einer ganzen Palette subkultureller Archetypen. Wenn hier die Auswahl einer Zugehörigkeit schon schwerfällt, wie mögen dann erst Cosplayer zu ihren Kostümen kommen? (ac)

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Foto: Alexander Christian

R

Risographie
Der ganz heiße Scheiß in diesem Jahr: Comics aus dem Risographen. Oben bei den Kunsthochschulen gab es praktisch keinen Stand, der nicht mindestens ein Druckerzeugnis feilbot, das im Risoprint-Verfahren erstellt wurde. Im „Parade“-Atelier der flämischen und niederländischen Künstler entstand täglich ein neues Riso-Heft, und auch einige aktuelle Neuerscheinungen (etwa die von Olivier Schrauven oder Anna Haifisch) sind zwar klassisch gedruckt, kommen aber im Riso-Look daher. Prognose: 2018 ebbt das ganze schon wieder deutlich ab, 2020 erscheint der Röhrende Hirsch als Risoprint, und damit ist der Trend dann endgültig durch. (tk)

S

Same Procedure?
Während der ICOM-Preisverleihung konfrontierte mich meine Autorenkollegin und Salon-Debütantin Susanne angesichts des Dargebotenen mit der staunenden Frage, ob das „immer so“ ablaufen würde. Meine vorschnelle Antwort lautete „ja“ – aber dann musste ich mich korrigieren: Dieses Jahr lief die Indie-Comic-Preisvergabe meiner Ansicht nach deutlich reibungsloser, kurzweiliger und schmerzfreier ab als noch auf den Salons 2012 und 2014. Von „sehr geordnet“ wollen wir jetzt nicht sprechen, aber ich sehe da eine deutliche Entwicklungskurve nach oben. Gewissen Juroren zu verbieten, ihre Laudationes wortreich zu improvisieren, hat mit Sicherheit auch geholfen. Dass die Preisverleihung nun zur straff durchorganisierten Gala-Veranstaltung mutiert und ihren liebenswert-holprigen Independent-Charme verliert, ist aber wahrscheinlich nicht zu befürchten. (av)

Schelte
gab es vom ICOM-Vorsitzenden Burkhard Ihme während der diesjährigen Preisverleihung für die versammelte Comicbagage: Zum einen verkaufe sich das immer mit viel Herzblut und Fachwissen gemachte COMIC!-Jahrbuch des Verbands in der Szene nur ausgesprochen mau, obwohl mit den Einnahmen doch auch der von allen geschätzte ICOM-Preis unterstützt werde; zum anderen sei zu wünschen, dass sich mehr PreisträgerInnen bei der jährlichen Preisverleihung blicken lassen, um Urkunde, Preisgeld und öffentliches Lob in Empfang zu nehmen. Wer einreicht, muss auch mit einem Preis rechnen! (av)

Skandälchen
… gab’s diesmal auf der Max-und-Moritz-Preisverleihung. Kiste erhielt den Preis für „Bester Comic für Kinder“. Allerdings ließ Autor Patrick Wirbeleit sich auf der Bühne vertreten und seine Ablehnung des Preises vorlesen: Solange Künstler wie Sascha Wüstefeld oder Kim Schmidt von dieser Veranstaltung ignoriert würden, solange würde er derartige Preise nicht annehmen. So seltsam sich diese Geste anfühlte – schließlich war Wirbeleit selber in Erlangen anwesend, und vom vom Verlag bei der Verlautbarung ignorierte Kiste-Zeichner Uwe Heidschötter erfuhr man erst nach der Veranstaltung via Twitter, dass er sich sehr über den Preis freue –, so gut fügte sich Wirbeleits Aussage in die allgemeine Stimmungslage auf der diesjährigen Max-und-Moritz-Gala ein: Endlich hatten es auch mal diverse Comics aus dem Nicht-Feuilleton-Bereich in die Nominierungslisten geschafft. Derweil, die Ergebnisse waren wieder ernüchternd. Die Auszeichnungen sind jedem zu gönnen, aber es wäre erfrischend und der Vielfalt und den Talenten der Comicszene angemessen, wenn die Bandbreite des Max-und-Moritz-Preises endlich erweitert werden würde. Interessant aber, Hella von Sinnen mal kurz sprachlos zu erleben. Sie kam gar nicht darüber hinweg, dass ein Künstler den Preis ausschlagen könnte. (fp)

Skizzenblock
Ich habe nach sechs Jahren erstmals wieder meinen Skizzenblock reaktiviert. Ach, hätte ich konsequent die letzten 20 Jahre schon Künstler in den Block skizzieren lassen, dann hätte ich jetzt schon ein bombiges Unikat zum Durchblättern. Andererseits, jetzt erst damit zu beginnen, ist eine Wette auf die Zukunft. Wetten, auch ich krieg den Block noch voll mit vielen, vielen tollen internationalen Künstlern? Bisher sind drin: Ralf König, Fabian Stoltz, Mario Bühling und ein paar Skizzen von mir selbst (auch das ein Grund, weshalb ich den Block länger unter Verschluss hielt). Nach sechs Jahren aber hab ich gelernt, mich mit den Qualitätsschwankungen zu arrangieren. Der Block muss leben. Der Rest ist unwichtig. (cm)

Stempel
Wenn man auf der Comicmesse des Salons einen Stand betreibt, kennt man mittlerweile die Spezies der Paninisticker-Sammler: Tauchen mit scheinbar neugierigem Gesichtsausdruck an deinem Stand auf, interessieren sich jedoch hinten und vorne nicht für dein Angebot, sondern sind schlicht darauf aus, ihre Aufklebersammlung zu vervollständigen. Sammelalbum-Mastermind Martin Jurgeit hatte sich in diesem Jahr noch ein Bonuslevel ausgedacht: Im Heft gab es einen weißen Fleck, den Zeichner Gerhard Schlegel bemalen sollte, um am Ende den supergeheimen Mastersticker freizuschalten (oder so ähnlich, ganz genau habe ich es nicht verstanden). Dieser wiederum hatte vorgeplant und sich einen Stempel anfertigen lassen, um dann nur noch ein paar kleine Extras und eine Unterschrift druntersetzen zu müssen. Da wir in diesem Jahr Martins Stand mitbetreuen durften, kamen wir unverhofft zu dem Vergnügen, unsere Stempelskills erheblich auszubauen und zu vertiefen. Ist das eine Qualifikation, mit der man heute bei Ämtern und Behörden noch punkten kann? Falls ja, dürfte das Comicgate-Team bei freien Beamtenstellen bald sämtliche Mitbewerber ausstempeln, äh -stechen. (tk)

Foto: Thomas Kögel

Foto: Thomas Kögel

T

Tanzen
Auf außerordentliche Begeisterung beim Publikum der Max-und-Moritz-Gala stieß die lustige Neuerung, Nominierte nun tanzen zu lassen, ehe sie den Preis dann nicht erhalten. Vorschläge für kommende Preisverleihungen: Torten, faule Tomaten und Gruben mit Alligatoren, um die nicht Preiswürdigen noch besser in die Gesamtchoreographie der Veranstaltung einzubinden und den seriösen Künstlern auf der Gewinner-Couch den Abend so vielleicht etwas kurzweiliger zu gestalten. (mof)

Telefonschalte
Der diesjährige Trend bei der ICOM-Preisverleihung neben zweisilbigen Dankesreden (siehe „Danke“): renitente PreisträgerInnen wie Christian Maiwald, der lieber sein DJ-Set im Gummi Wörner vorbereitete, als sich ehren zu lassen, werden angerufen und dürfen sich das Gejohle des Publikums über den Handylautsprecher anhören. Gab’s zwar auch schon mal früher vereinzelt, aber dass das mal nicht zum Standard wird … (av)

Türkei, Comics und Satire
Die Ausstellung „Istanbulles“ wollte in Erlangen über die türkische Comicszene informieren, leider hatte man aber auf deutsche Übersetzungen der Comicseiten verzichtet. Die Podiumsdiskussion, an der einige der in der Ausstellung gezeigten Zeichner und Autoren teilnahmen, verschaffte dann nicht nur Aufschluss, sie war zum Verständnis auch unbedingt nötig: Hauptthema der Veranstaltung war das Thema „Satire“; vermutlich war den wenigsten Besuchern bekannt, dass in der Türkei eine sehr breite Szene existiert, mit dem französischen Magazin Charlie Hebdo hatte man sogar bereits eine Koproduktion auf die Beine gestellt. Diskutiert wurde in Erlangen unter anderem mit Tuncay Akgün und Ersin Karabulut. Ramize Erer, die Frau von Tuncay Akgün, lebt seit einigen Jahren in Paris; ihr Magazin Bayan Yani ist ein Heft für Frauen, gestaltet ausschließlich von Comiczeichnerinnen.

Erlangen ABC – Türkei

Foto: Christian Muschweck

Von den anwesenden Zeichnern erfuhren die Zuhörer, dass derbe Karikaturen zu sexuellen Perversionen als ziemlich normal angesehen werden können. Weil Sexualität in der Türkei nach wie vor noch ein großes Tabuthema ist, eignet sie sich natürlich besonders gut für Satire. Da gerade auf dem Land Sexualität noch stark reguliert wird, greifen manche – nein, nicht auf Ziegen, sondern – auf Esel zurück. Karikaturen beschäftigen sich immer wieder mit diesem Sujet: Eine Zeichnung zeigt eine türkische Hochzeit, mit viel Musik und Tanz, im Vordergrund unterhalten sich zwei Esel. „Ich habe dich gewarnt! Er hat dich gefickt, und du hast ihm vertraut!“ Dem anderen Esel kullern Tränen über die Wangen.
Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion hielten das Schmähgedicht von Jan Böhmermann für keine gute Satire, aber wenn man das tun wolle, dann könne man das natürlich. Auch politische Satire gehört natürlich zum Themenspektrum, wobei die Zensur deutliche Grenzen setzt. Die türkische Regierung greift darüber hinaus bei Einschüchterungsversuchen auf „zeitgemäße“ Methoden zurück. Trolle beschimpfen, bedrohen und verfluchen die Zeichner in den sozialen Netzwerken.

Auch auf das Thema „Comics in der Türkei“ wurde eingegangen: Bekannte Klassiker wie Asterix oder Tintin werden als Raubdrucke verbreitet; die böse Katze Serafetin macht dem gemütlichen Kater Garfield Konkurrenz; Seyfettin Efendi ist ein Detektiv, der übernatürliche Fälle löst und damit an klassische europäische Mystery-Serien erinnert. (Anja Friedl-Muschweck)

U

U-Comix
Der U-Comix- und Volksverlag-Verleger Raymond Martin war auch in Erlangen. Mancher ältere Sammler hat jetzt endlich sein U-Comix oder Schwermetall Nr. 1 signiert bekommen. (So war das bei Hansrudi Wäscher früher auch. Es wurde ja schon gelästert, dass es mehr signierte als unsignierte Sigurd-Heftchen geben soll.) (cm)

Foto: Stefan Svik

Foto: Stefan Svik

V

Verschwitzt
Die ganz kleinen Indie-Verlage/Selbstverleger/Comicsolidarity wurden dieses Jahr konzentriert in das Obergeschoss des Rathauses versetzt und fristeten dort ihr Nischendasein. Es mag grundsätzlich eine gute Idee gewesen sein, dem interessierten Salon-Besucher hier die Möglichkeit zu bieten, die Kleinsten auf einem Haufen vorzufinden. Allerdings fand man sie nicht so einfach. Der schmale Durchgang hinter dem Bereich mit den Hochschulen konnte leicht übersehen werden. Dabei wäre es so einfach gewesen, direkt dort einen dicken Pfeil hinzuhängen, der zu den Indies zeigt, damit man nicht einfach dran vorbei läuft. So kamen viel zu wenige in den Genuss des Turnhallen-Odors, der sich hier täglich wegen viel zu wenig bewegter Luft bildete. (fx)

W

Wegeleitsystem
Erlangen hat dieses Jahr wieder mächtig was aufgefahren und die Fußgängerzone weiträumig beflaggt. Gelungen waren auch die soliden Dreieckständer mit wechselnden Comic-Motiven, die viele der Ausstellungsorte des Salons deutlich sichtbar gekennzeichnet haben. Das Epizentrum des Salons war immer gleich an den vielen Menschen mit grünen Bändern um den Hals zu erkennen. (ac)

Foto: Alexander Christian

Foto: Alexander Christian

Würfeln
Bei Panini ist es seit langem die Messeregel, dass man würfeln muss, um eine Zeichnung zu bekommen. Leider hatte ich den Termin verpasst und somit keine Poison Ivy, Harley Quinn oder Catwoman von Guillem March ergattern können. Auch wenn ich nachvollziehen kann, dass sich Zeichner freuen, wenn sie für ein aufwändiges Unikat 20 bis 100 Euro bar auf die Hand bekommen, das Modell von Panini erscheint mir doch sympathischer: Ich würfle, kaufe mir ein Heft oder natürlich auch gerne mehr und eine langjährige Fan-Bindung kann entstehen, ohne dass es so arg kommerziell wirkt wie bei den sich jetzt auch in Deutschland ausbreitenden Cons, bei denen schon mal locker 200 Euro für eine Zeichnung verlangt werden – an dieser Stelle also ein Lob auf Panini! (ssv)

X

XX-Chromosom
siehe „Frauenquote“

Y

Yelin, Barbara
Wurde von der Jury des Max-und-Moritz-Preises zur „Besten deutschsprachigen Comic-Künstlerin“ gekrönt – und ist damit die dritte Frau in Folge, die diese Auszeichnung erhält (nach Ulli Lust und Isabel Kreitz) und die fünfte insgesamt. Zwischen 1984 und 2010 gewannen noch Franziska Becker, 1988, und Anke Feuchtenbeger, 2008. (av)
siehe auch „Frauenquote“

ZZZZZZZ
ZZZZ RÜLPS ZZZZ RÜLPS – So schnarcht Gastons Möve im Onomatopoesiealbum des neuen Comicgate-Magazins Nr. 9. Post-Comic-Salon-Blues. (ac)

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