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Währenddessen… (KW 31)

In der Kolumne „Währenddessen …“ zeigt die Comicgate-Redaktion, was sie sich diese Woche so zu Gemüte geführt hat.

Prinz-Eiseneherz-Sonntagsseite 545 von Hal Foster. © Bocola

Christian: Heut mal wieder richtig gutes Radio gehört: Es war sehr informativ und bereichernd, was die Leute von Bayern 2 mit der Radio-Wissen-Sendung vom 31.07.2019 auf die Beine gestellt haben: Alles über Ritter, deren Ehrenkodex, höfisches Verhalten, Turniere und Kreuzzüge – und für mich ein eindrücklicher Hinweis darauf, dass Hal Foster in seinen Prinz-Eisenherz-Comics keineswegs nur ein idealisiertes, sondern doch auch realistisches Bild des Ritterlebens präsentiert. Nur die Sache mit König Artus und der zeitlichen Einordnung um 500 nach Christus stimmt nicht so ganz, da wäre 1100 nach Christus wohl stimmiger gewesen.

Im Gegensatz dazu kommt mir der stets um Realismus bemühte Hermann Huppen mit seinem Die Türme von Bois Maury vergleichsweise eindimensional vor. Es war eben auch im Mittelalter nicht alles nur Blut und Scheiße, es gab auch damals Kultur und ein Bemühen um zivilisatorische Standards. Davon ist bei Hermann Huppen nicht viel zu sehen, in Prinz Eisenherz dagegen sehr viel. Damit will ich die Qualität von Hermanns Türme von Bois Maury keineswegs in Frage stellen. Die Reihe ist in vielen Details großartig, vor allem die Bauszenen an der Kirche in Bois Maury 1 – Babette haben mich schon immer begeistert. Hermann setzt in jeglicher Hinsicht andere Akzente als Hal Foster und komplettiert damit das Bild.

Julian: In der letzten Woche hatte ich endlich die Gelegenheit, Archie 1941 und Blossoms 666 zu beenden. Beide Serien aus dem Hause der Archie-Comics sind Miniserien, d. h. es gibt exakt fünf Hefte, danach ist vorerst Schluss. Beide Serien unterhielten enorm und scheitern letzendlich am letzten Heft. Aber der Reihe nach:

Archie 1941 spielt ein Jahr, bevor der erste Archie-Comic in den USA veröffentlicht wurde. Damals sollten die Kinder der Soldaten erheitert und vom harten Los ihrer Väter abgelenkt werden – Archie war geboren. Knapp 80 Jahre später dachte man sich: Was, wenn Archie zu dieser Zeit selbst im wehrfähigen Alter gewesen wäre? Und so sehen wir Archie, der nach dem Schulabschluss mit seiner Zukunft hadert. Er wird immer aggressiver, mit Angst sieht er im Kino die Nachrichten, hört auf, mit seinen Freunden zu sprechen, meldet sich nicht mehr bei Betty und beschließt letztendlich, in den Krieg zu ziehen. Währenddessen verdient sich Hiram Lodge eine goldene Nase – er war kurz zuvor nach Deutschland gereist, um ominöse Deals abzuschließen, was zur Entfremdung mit seiner Tochter Veronica führt, die sich letztendlich mit Betty anzufreunden beginnt.

Die Ausgaben 1 bis 4 steigern kontinuierlich ihre Spannung und gipfeln in einem grandiosen Cliffhanger, der schwuppdiwupp im fünften Teil mittels einiger Panels über den Haufen geworfen wird und die Serie letztendlich ruiniert, denn was der Archie-Verlag seinen Lesern vorsetzt, hätte man so nicht erwartet. Der Zweite Weltkrieg und seine Folgen auf Soldaten und Zivilbevölkerung wird sehr ernsthaft abgehandelt und es geht nicht für alle Personen gut aus. Das Artwork kann sich sehen lassen: Die Core-Four erstrahlen im tollsten 1940er-Jahre-Stil, alles wirkt alt, aber durchaus stilvoll. Ein wenig wie auf Vintagekitsch-Romaneinbänden.

Blossoms 666 hingegen, die neueste Ausgabe der Archie-Horror-Reihe, weist ebenfalls ein tolles Artwork auf und präsentiert eine Geschichte um Riverdales Cheryl Blossom, jener Figur, deren Serie vor Jahrzehnten mal eingestellt wurde, da sie zu sexy geraten war. Hier führen die Blossom-Zwillinge erneut nichts Gutes im Schilde und planen die Auferstehung des Satans, was nur Betty verhindern könnte. Sie jedoch treibt sich mit dem rothaarigen Julian rum, dessen Hintergrundgeschichte sich stark an den Erzählungen der Satanic Panic der 1980er/90er Jahre orientiert und durchaus deftig ausfällt. Leider endet die Story abrupt. Der Spannungsbogen steigt kontinuierlich, um im fünften Heft in sich zusammenzufallen. Betty merkt,

Heft zu Ende. Ob es weitergeht … ? Bei Archie Comics weiß man noch nichts genaues. Man darf hoffen, denn die sonst gute Geschichte verdient ihren finalen Kampf. Betty gegen die Blossoms. Man will wissen, welches Geheimnis die Eltern der Stadt (mal wieder) verbergen und wer noch alles im satanischen Zirkel dient.

Archie Comics serviert uns folglich zwei starke Serien mit völlig übereilten Finalheften. Archie ’41 geht auf jeden Fall weiter, diesmal spielt die Story aber in den 1950er Jahren. Ein wenig mehr Fokus auf die finalen Kriegsjahre wäre wünschenswert gewesen, denn die Hefte sind wirklich gut geraten, nicht zuletzt dank des großartigen künstlerischen Wirkens – und Blossoms 666 verdient ein würdiges Ende, einen korrigierten Spannungsbogen.

Lange heißt es in Pedro Almodovars „Alles über meine Mutter“, die transsexuelle Figur Lola sei ein Scheusal. Aber am Ende hat die Figur unsere Sympathien.

Christian: Hermann hat ja mal behauptet, er interessiere sich nicht für hübsche Menschen: „Ein Gesicht ohne die Spuren eines Lebens zu zeichnen, ist für mich vergeudete Zeit. Dagegen ist ein altes, zerfurchtes Antlitz ein Fest für jeden Zeichner.“ Als ich das Zitat in der Andy-Morgan-Gesamtausgabe (Band 4) las, musste ich zunächst an Pedro Almodovar denken, der auch schon einmal sagte, dass ihn schöne Gesichter ohne Lebensfurchen nicht interessieren.

Aber natürlich trennen Hermann und Pedro Almodovar Welten. Almodovar inszeniert seine verlebten, vom Leben gezeichneten Figuren, mit Liebe und Verständnis, so dass deren innere Würde und Schönheit offengelegt wird. Hermann dagegen arbeitet beinahe andersrum: Selbst wo Schönheit offensichtlich scheint, sucht er das Hässliche. Fast scheint es, als wären Würde und Schönheit in seinen Augen nur menschliche Erfindungen, die dem Realitätstest nicht standhalten.

Keine schönen Menschen in Hermanns Comics. Nirgends. Nie. (Bild aus „Andy Morgan 12 – Anschlag auf die Cormoran“). © Carlsen-Comics.

Was habt ihr diese Woche gekauft, gesehen, gelesen, gespielt? Postet eure Bilder, Geschichten und Links einfach in die Kommentare.

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