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Währenddessen … (KW 3)

In der Kolumne „Währenddessen …“ zeigt die Comicgate-Redaktion, was sie sich diese Woche so zu Gemüte geführt hat.

Julian: Mit The End Of The F***ing World – läuft seit Januar eine neue Comicserie auf Netflix, die nicht von Superhelden handelt, sondern auf einer Graphic Novel von Charles S. Forsman basiert. Die acht Episoden a 20 Minuten erzählen die Geschichte eines ungleichen Teenagerpaares: Während Alyssa ihren leiblichen Vater nur noch durch diverse Geburtsagskarten kennt, zudem von ihrer überforderten Mutter und deren Lebenspartner vernachlässigt wird, hegt James eine Vorliebe für Skateboards, Messer und das Töten von Tieren.

Alyssa, die mit ihren von Smartphones besessenen Millennial-Altersgenossen wenig anzufangen weiß, freundet sich bald mit James an und gemeinsam plant man die Flucht aus der Vorstadt. Die Motive der beiden Außenseiter könnten unterschiedlicher nicht ausfallen: Während Alyssa in James die große Liebe sucht, plant dieser die Ermordung seiner Gefährtin. Es folgt ein absurder Roadtrip mit düsterem Humor, wie man ihn selten im Fernsehen zu Gesicht bekommt.

© Netflix

Wohlig hebt sich The End Of The F***ing World von anderen aktuellen Teenagerserien ab, erinnert eher an Atypical oder Daniel Clowes Ghost World als an Gossip Girl. Die britische Serie wirft einen pessimistischen und zugleich überaus komischen Blick auf die Gesellschaft: Ob Teenager oder Highschool – Glamour sucht man hier vergebens und die Welt wird mit einem alles verschlingenden Grau überzogen.

Besonders Jessica Barden weiß dabei zu begeistern, gelingt es ihr doch vorzüglich, jene Wutausbrüche und Provokationen Alyssas mit einer tiefen inneren Verletzlichkeit zu kontrastieren. Dass The End Of The F***ing World nicht auf ein Happy Ending hinausläuft, unterstreicht den Gesamteindruck und lässt auf eine zweite Staffel hoffen. Die Chancen hierfür stehen indes gut: Innerhalb weniger Wochen entwickelte sich die Serie weltweit zur kleinen Sensation und auf den einschlägigen Internetboards und Tumblr Accounts häufen sich die serienbasierten Memes.

Daniel: Auch ich habe diese Woche The End Of The F***ing World zu Ende gesehen. Auch ich war begeistert. Aufgrund Julians schöner Vorarbeit, kann ich jetzt einfach nur erzählen, warum mir die Serie so gut gefällt. Vor allem, weil sie sich der Einordnung widersetzt.

Die Serie ist kein richtiges Roadmovie, obwohl Alyssa und James mit gestohlenen Autos durch die britische Landschaft fahren. In einem Roadmovie setze ich voraus, dass Erwachsene aus ihrem Alltag ausbrechen, ihn für die Freiheit der Straße eintauschen und ihr altes Leben hinter sich lassen. Sie sind sich der Konsequenzen ihrer Handlungen bewusst und entscheiden sich dafür. Die Leben von James und Alyssa haben noch gar nicht angefangen und trotzdem sind sie schon enttäuscht. In einem Roadmovie ist den Reisenden bewusst, wie fragile diese Ersatzwelt ist. Das geht den beiden Figuren hier nicht so. Das Leben im Auto, Trailer oder Motel wird als echte Alternative gesehen.

Eine Coming-of-Age-Geschichte ist es für mich auch nicht. Auch wenn die beiden Teenager auf ihrer Reise erwachsen werden, erwarte ich von diesem Genre mehr Reflexion, eine Auseinandersetzung mit der eigenen Situation und einen Lerneffekt, der daraus gezogen wird. Der interne Monolog der beiden kann zwar als reflektierend gelesen werden, doch bezieht er sich immer nur auf das direkte Bedürfnis, nicht auf das große Ganze: So denkt James z.B.: „Ich fühle mich unglücklich ohne Alyssa. Wo ist sie?“ Während ich mir versuche auszumalen, wie die Leben von Alyssa und James weitergehen können, schert sich die Serie wenig um meine Erwartungen und bleibt viel direkter an der Gefühlswelt der Jugendlichen. Wenn es ein Coming-of-Age-Aspekt gibt, dann zielt dieser nicht auf den Moment der Katharsis ab, sondern hinterfragt nur jeden einzelnen Augenblick: Bin ich jetzt glücklicher als eben?

The End Of The F***ing World ist roh, direkt und widersetzt sich jeder Bestimmung. Das gefällt mir.

Christian: Früher war eine Serie mit Cliffhangern für mich das Nonplusultra des Erzählens. Egal ob Sigurd-Heftchen oder Leutnant-Blueberry-Alben: Der Cliffhanger, stets an einer dramatisch zugespitzten Situation effektvoll platziert, überhöht eine gute Story noch und macht sie zum Event. Aber seit einigen Jahren habe ich ein gespaltenes Verhältnis zum Cliffhanger. Genauer seit ich die zweite und vor allem dritte Staffel der Serie 24 gesehen habe. Erst noch gefreut über eine Spannungserzählung wurde mir das ständige Eskalieren mit den Cliffhangern bald zu sehr zur Masche. Die Story wurde fühlbar immer unwichtiger und zunehmend unlogisch, nur noch das Aus-dem-Hut-Ziehen möglichst vieler krasser Wendungen zählte. Fiel mir kürzlich auch bei American Horror Story auf. Das Herauszögern und Dehnen einer Story auf absurde Ausmaße mit Wendungen, komme was wolle, scheint inzwischen völlig die Regel geworden zu sein. Da ist mir der klassische Kinofilm lieber.

Die Fernsehserie American Gods hat mich dagegen positiv überrascht. Erstens liefert die Serie uns nicht die Standardexposition jeder Nullachtfuffzehn-Reihe, zweitens sind die Cliffhanger nie Selbstzweck, sondern entwickeln sich schlüssig aus der Erzählung heraus. Das Überraschende an der Reihe ist nicht ein breitbeiniges „Seht mal, was für aberwitzige Wendungen wir uns für euch ausgedacht haben“ sondern liegt tiefer. Nach nur acht Episoden American Gods habe ich keinen Zweifel an der Stringenz der Handlung, trotzdem frage ich mich als Zuschauer bei jeder Episode: „Wie um Himmels Willen soll das weitergehen?“ und „Wie kommt Shadow Moon aus dieser verfahrenen Situation noch raus?“. Lange habe ich gedacht, dass Neil Gaimans Romanvorlage nur eine Zweitverwertung von Motiven aus den Sandman-Comics ist. Da habe ich mich wohl getäuscht.

Gut dennoch, dass ich nie die Romanvorlage gelesen habe. Kürzlich, als ich ich mich mit meiner zwölfjährigen Nichte über die Harry Potter-Filme unterhalten habe, meinte sie, sie würde nie erst den Film sehen und dann die Romanvorlage lesen wollen, weil die Bücher immer besser seien als die Filme. Das dachte ich früher auch. Inzwischen aber gebe ich auch gerne einer Verfilmung die Chance, mich unvorbereitet überwältigen zu können. Mit American Gods ist die Überwältigung hervorragend gelungen. Jetzt muss ich mich nur noch bremsen, nicht doch nachzulesen wie es weitergeht, bevor die zweite Staffel im Sommer kommt.

Niklas: „Hö. Das war unterhaltsam bekloppt“, dachte ich, nachdem ich die erste Episode von realTrolls neustem RPG-Maker-RPG Endzeit beendete. Dreieinhalb Stunden, in denen ich die Ruinen eines atomar verseuchten Brüssels nach Überlebenden und Ressourcen durchsuchte, mutierte Flamen bekämpfte (die natürlich Französisch sprachen) und meine Organisation zum Wiederaufbau der Welt auf „Liebeswaffel-Liga“ taufte. Zu meiner Verteidigung, der Name passt zum Spiel. Denn Endzeit ist trotz der Verwüstung und all der Toten ein albernes Spiel. Ein sehr albernes Spiel. Als hätten die Muppets Mad Max adaptiert und vergessen die Witze über Kannibalen rauszuschneiden. So albern ist es. Und es macht Spaß.

Bisher gibt es nicht viel zu sagen, außer dass real_Troll weiterhin mit Adjektiven in Texten und Dialogen um sich zu wirft, die den Ton des Spiels auflockern sollen. Nötig wären sie nicht, da schon die Hilfsmittel zur Erneuerung von Energie (das Äquivalent von Mana in diesem Spiel) mich zum Schmunzeln brachten. Mit den vier belgischen Elementen – Pommes, Bier, Schokolade und Waffeln – laden sich der heldenhafte Hauptcharakter Kapitän Atom und seine Begleiter wieder auf, um mit Laserstrahlen und Gewehren das Böse zu bekämpfen. Bisher habe ich aber noch keine Ahnung wohin das Ganze führen soll. Denn zum Mix aus Superhelden- und Endzeitgenre kommen noch Physikwitze dazu – die sich mir als Naturwissenschaftmuffel noch nicht ganz erschließen – und Quests und Kampfsystem sind noch nicht ganz so ausgereift wie real_Trolls brillantes und vielschichtiges Wolfenhain, aber mal sehen, bisher hat der Autor ja noch nicht enttäuscht.

Bis dahin bin ich mal gespannt, ob es noch schräger wird. Ein gewaltiger Manneken Pisder „Todesstrahlen“ verschießt, ist ja schon mal kein schlechter Anfang für weiteren Wahnsinn, der wohl noch folgen wird.

Was habt ihr diese Woche gekauft, gesehen, gelesen, gespielt? Postet eure Bilder, Geschichten und Links einfach in die Kommentare.

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