An dieser Stelle berichten wir von Comic-Events wie dem Comic-Salon Erlangen, der Frankfurter Buchmesse oder dem Münchner Comicfestival. Persönliche Eindrücke, Fotos, Nachrichtenhäppchen und einiges mehr.

24.5.08

Scheck, rattle and roll
(Max und Moritz-Preis)

Willkommen zum Live-on-tape-blogging aus dem Markgrafentheater in Erlangen. Wir hatten gestern abend auf der Max-und-Moritz-Gala einen Laptop dabei und haben ein bisschen mitnotiert. (Normal gesetzter Text: Thomas, kursiver Text: Björn).

21:10
Wir sitzen im wirklich hübschen Zuckerguss-Saal des Markgrafentheaters und warten auf den Beginn der Preisverleihung. Offiziell heißt der Preis "Max und Moritz-Preis". Aus Faulheit werde ich im folgenden die Abkürzung MuM verwenden, wenn ihr erlaubt.

21:17
Die Wahl der begleitenden Band war beim MuM nicht immer die glücklichste. Mit der neunköpfigen Band The Wright Thing scheint man aber einen ganz guten Griff gemacht zu haben. Starker Anfang.

21:20
Moderator Denis Scheck, den man aus der ARD-Sendung "Druckfrisch" kennen könnte, leitet ein und beantwortet die Frage, warum man unbedingt einen Comicpreis brauche, mit einem Zitat von Luca Toni: "Wenn gewinne, isse immer gut."

21:26
Der Bürgermeister schickt seinen Stellvertreter. Wenn das Rummenigge wüsste ...
Denis Scheck hatte ihn mit einem Namensversprecher angesagt - der revanchiert sich prompt und bedankt sich herzlich bei "Herrn Denis Schenk".


21:31
Der Bürgermeistervertreter erwähnt einmal jeden, der für die Stadt arbeitet, mal den Salon von außen gesehen hat und dann dreimal so lange jeden Sponsor ... und wie toll die Vergangenheit war ... und die Maxundmoritzbrote ... noch mehr Werbung für den Salon, wir warten gespannt ob es vor zehn Uhr noch einen Preis geben wird. Der ICOM-Preis war schneller vergeben als die Rede des Bürgermeisters dauerte.

21:40
Der Preis für den Besten Comic-Strip geht an Nicolas Mahler für Flaschko - Der Mann in der Heizdecke. Großer Jubel im Publikum. Mahler macht einen sehr charmanten Eindruck. Auf die Frage, ob er sich ausdrücklich als österreichischer Künstler verstehe, druckst er ein wenig herum und sagt dann: "ich würde sagen nein. aber es stimmt nicht."

Was auf Dauer anstregend werden kann: Wenn man den ganzen Abend die Hochkulturwelle mitnehmen möchte, und alles und jeden mit Becket, Melville etc. vergleicht ...

21:47
Eine neu eingeführte Kategorie: Als Beste studentische Publikation wird Plus Plus Comics ausgezeichnet.

21:52
Die Idee, dass Denis Scheck nach jedem Preis ein kurzes Gespräch mit dem Preisträger führt, funktioniert ganz gut. So werden jedenfalls peinliche Dankesreden a la Oscar vermieden. Wenn Scheck noch etwas besser vorbereitet wäre, wärs noch schöner.

21:58
Bester Comic für Kinder: Der 35 Mai. Als Comic, die Kästner-Adaption von Isabel Kreitz, die dieses Jahr gleich dreimal nominiert ist.

Und das sympathische ist, wie verschüchtert und gerührt sie immer noch wirkt, wenn sie in der Laudatio gelobt wird ... und Bonusprops an die Brothalterin!

22:02
Die Verleihung geht bisher angenehm straff über die Bühne. Bitte weiter so!
Bester deutschsprachiger Künstler wird Anke Feuchtenberger. Die Band spielt dazu tatsächlich das Thema aus Werner - Beinhart. Ein großer Moment.

22:05
Der Preis für den Besten deutschsprachigen Comic geht an Reinhard Kleist für Cash - I see a Darkness.

Das Publikum ist zufrieden: großer Applaus, schon als die Nominierung bekannt gegeben wurde.

22:10
Kleist, Kreitz und Feuchtenberger waren ja alle drei als Bester deutschsprachiger Künstler nominiert. Die Jury hat es recht geschickt verstanden, die anderen Preise so zu vergeben, dass jetzt alle drei einen MuM bekommen haben. Jetzt gibt es eine kleine Talkrunde mit den dreien. Denis Scheck möchte über Geld und Sex reden, was aber nicht so richtig gut klappt. Seine Fragen zum Thema Geschlechterrollen stoßen bei den Befragten allgemein auf Unverständnis und Ablehnung.

Das Interview fällt nicht nur auseinander, es explodiert und Nonnen brennen. Scheck läuft nur gegen die Wand, bei allen dreien.

22:24
Jetzt gibt's die internationalen Preise. Bester Szenarist: Olivier Ka für Warum ich Pater Pierre getötet habe. Die Band spielt dazu passend die Titelmelodie der Nackten Kanone. Ka selbst ist nicht anwesend, den Preis nimmt der Zeichner des Bandes, Henri Meunier, engegen: "I speak French, because my English is very bad and my German ... is no German".

Die arme Übersetzerin, die die nicht unkomplizierten Fragen von Denis Scheck übersetzen muss ... Aber der Zeichner nimmt das alles charmant mit viel Humor.

22:40
Die Band spielt "Always look at the bright side of life" und fordert das Publikum zum Mitsingen und Aufstehen auf. Klappt super: alle bleiben sitzen. Bis auf Ruthe und Flix.

22:43
Als Bester Manga, oder, wie Denis Scheck es ausdrückt "Bester Mango" wird - wenig überraschend - Vertraute Fremde von Jiro Taniguchi ausgezeichnet. Kai-Steffen Schwarz vom Carlsen Verlag erzählt, dass man Taniguchi eingeladen hatte, er aber aus Termingründen absagen musste. Taniguchi hat immerhin eine kurze Grußbotschaft geschrieben, die von Schwarz vorgetragen wird.

22:47
Bester internationaler Comic: Die heilige Krankheit von David B. Der Künstler ist selbst anwesend, bestreitet das Interview auf Englisch und überrascht mit recht humorvollen Antworten. "Can a comic book become a remedy, a medicine for a disease, metaphorically spoken?" - "For my brother? No. For me, for coping with the situation? Yes."

22:58
Nun die bereits vorab bekannten Preise. Mit einem Sonderpreis werden Hannes Hegen, Erfinder der Digedags, und Hansrudi Wäscher "für ihre Pionierleistung im deutschen Comic in Ost und West" geehrt- der 80jährige Wäscher gewinnt die Herzen mit charmanten, witzigen und ehrlichen Antworten: "Comics lese ich keine mehr. Ich habe schon so viele Comics gelesen und irgendwann ist mal Schluss."
Hannes Hegen ist aus gesundheitlichen Gründen nicht vor ort. Die Vertreterinnen von Mosaik fordern die westlichen Leser auf, auch mal die Ost-Comics kennenzulernen.

23:05
Zum Abschluss der Preis fürs Lebenswerk, der an Alan Moore geht. Moore besucht bekanntlich keine Comic-Veranstaltungen und verlässt England nicht, und seine Frau Melinda Gebbie musste leider kurzfristig absagen. Deshalb gibt es eine Live-Telefonschalte nach Northhampton und auf der Leinwand eine extra eingeschickte Dankes-Zeichnung, in der sich Alan Moore mit Bierkrug und Lederhose auf deutsch bedankt. Das Telefongespräch bleibt ziemlich kurz, Moore nimmt sehr großen Applaus entgegen, bedankt sich ausgesprochen höflich für die Auszeichnung und geht kurz darauf ein, wie wichtig für ihn die Rolle von Wilhelm Busch sei, so dass der nach ihm benannte Preis eine große Ehre für ihn sei.

23:10
Feierabend. Bier, Würstchen und Musik im Garten.

(Fotos? Haben wir auch gemacht. Werden wir nachreichen.)

posted by Thomas um 13:47 | Permalink