An dieser Stelle berichten wir von Comic-Events wie dem Comic-Salon Erlangen, der Frankfurter Buchmesse oder dem Münchner Comicfestival. Persönliche Eindrücke, Fotos, Nachrichtenhäppchen und einiges mehr.

12.10.07

Lost in Catalan

Es scheint historisch so festgelegt zu sein, dass jedes Gastland bei der Frankfurter Buchmesse einen schweren Stand hat. In diesem Jahr wurde Katalonien eingeladen, eine autonome Gemeinschaft in Spanien, die nicht nur um eine größere Unabhängigkeit kämpft, sondern die auch mit Katalanisch ihre eigene Amtssprache besitzt. Weiter erschwert wird die Stellung des Gastlandes noch zusätzlich, wenn das Medium der Wahl ebenso eine Aussenseiterrolle einnimmt wie das Land selbst, sprich katalonische Comics.

Nachdem bereits am Mittwoch ein Vortrag über die Geschichte von katalonischen Comics stattfand (dieser Vortrag wurde überschattet von dem Zusammenbruch von dem Moderator Carles Santamaria), entschied man sich heute dafür, einige Künstler und Verleger zu einer Podiumsdiskussion einzuladen. Strategisch geschickt hatte man mit der Planung zusammengearbeitet und die Diskussion zwischen die atemberaubende, sechshundert Bilder umfassende Power-Point-Präsentation von Comicguru Scott McCloud und die Geburtstagsfeier von Carlsen Comics zum Vierzigsten gelegt. Nur wie es leider doch immer der Fall ist, verließen nach McClouds Amen die Massen schlagartig das Feld. Übrig blieb eine Handvoll Interessierte, deren Aufmerksamheit auch sofort auf eine harte Probe gestellt werden sollte.


Als der Moderator und Comic-Verleger Joan Navarro zügig in die Diskussion einsteigen wollte, blieben die meisten seiner Zuhörer verwundert auf der Strecke. Der gute Mann sprach Katalanisch mit der Geschwindigkeit eines rauschenden Wasserfalls. Obwohl man ihm Zeichen gab, den Vortrag doch bitte auf Englisch fortzusetzen, ließ er sich erst drei Sätze später stoppen. Er spreche zwar Katalanisch, Spanisch, Französisch und Italienisch, aber Englisch möge er nicht so sehr, teilte er in gebrochenem Englisch mit. Zum Glück für das Publikum fand sich ein Übersetzer. Der Retter des Nachmittags war Felix Sabate, Verleger des spanischen Verlags Ediciones Glenat, der die Diskussion mit seinen englischen Übersetzungen erst ermöglichte.

Zu diesen beiden gesellten sich der Comickünstler und Illustrator Miguel Gallardo, die Herausgeberin Laura, der in Amerika arbeitende Pasqual Ferry, Oriol Garcia und der Herausgeber Albert Monteys (El Jueves). So wurde das verbliebende Publikum mit der kompletten Bandbreite katalonischer Comickunst konfrontiert.

Was diese katalonische Comicszene von dem Rest Spaniens unterscheide, wollte Joan Navarro wissen. Man war sich bei dieser Frage einig, dass die Comics aus Barcelona und Valencia, den größten Städten in Katalonien, sich vor allem durch ihren Humor von den Comics aus Madrid, der Hauptstadt Spaniens, unterscheiden. Man führte diese Tatsache vor allem auf die Freiheit zurück, die die Künstler seit dem Tod Francos in ganz Spanien genießen.

Um dem Publikum einen Eindruck über die Motivation der Künstler zu geben, wurde jeder Einzelne danach gefragt. Die beiden wohl bekanntesten in der Runde, Max und Pasqual Ferry, nannten die Lust an einem noch jungen Medium, aber auch die Möglichkeit, den Traum von der Künstlerkarriere auszuleben.

Nach einer Krise der spanischen Comics in den Achtzigern sprach Moderator Navarro als nächstes von dem derzeitigen Comic-Boom, der vor allem durch die Graphic Novel zu erklären sei. Wie die Zukunft für katalonische Comics aussehe, wollte er wissen. Albert Montjes wandte ein, dass die Zukunft immer ungewiss sei, aber dass die derzeitige Entwicklung Hoffnung gebe und gut Möglichkeit für die Arbeit schaffe.

Als Comicgate nachfragte, warum man fast ausschließlich auf Spanisch veröffentliche und nicht in der Landessprache, gab man uns zu verstehen, dass dies ein rein industrielles Problem sei und dass man liebend gerne mehr katalonische Comics produzieren wurde, wenn es sich bezahlen ließe. Nur zwei der Anwesenden veröffentlichen derzeit auf Katalanisch. Während der katalonische Comic-Star Max bisher nur auf Spanisch veröffentlichte, hatte er nun einen Comic in seiner Landessprache produziert. Sein Kollege Oriol Garcia berichtete dagegen, dass er nur Comics auf Katalanisch produziere, was sich natürlich auch in finanzieller Hinsicht niederschlagen würde, sich also im Moment nicht lohnen würde.

Abschliessend kann man sagen, dass es sich sehr gelohnt hat, sitzenzubleiben und den Vertretern des Gastlands zuzuhören, denn so wurde einem eine kleine Welt ausländischer Comics präsentiert, die um ihre regionale Identität kämpft und dabei mindestens genausoviel Spannung und Potential in Sachen Comics beinhaltet wie jede andere Nation.

Labels:


posted by Daniel um 17:23 | Permalink