An dieser Stelle berichten wir von Comic-Events wie dem Comic-Salon Erlangen, der Frankfurter Buchmesse oder dem Münchner Comicfestival. Persönliche Eindrücke, Fotos, Nachrichtenhäppchen und einiges mehr.
11.10.07
Anstoß, Fehlpass, unentschieden
(Diskussion "Comics im Buchhandel - Graphic Novels und Autorencomics als Bestseller")
Obwohl die Buchmesse bisher nur dem Fachpublikum zugänglich ist, herrscht mancherorts schon ein unheiliges Gedränge. Nach kurzem Orientierungsrundgang, Rostbratwurst mit Pommes und überteuertem Kaffee bietet die Podiumsdiskussion "Comics im Buchhandel" daher eine willkommene Abwechslung. Unter Moderation von Stefan Hauck (Börsenblatt) plaudern Elisabeth Schiefer von der Buchhandelskette Thalia und die Verleger David Basler (Edition Moderne) und Steffen Volkmer (Panini) über die aktuelle deutschsprachige Comiclandschaft. Endlich was Ruhiges, Geordnetes, mit Stühlen.
Naja, bedingt geordnet. Genauer eingrenzen möchte man das Thema des Erlebten dann doch nicht. Schon bei der Definition des Begriffs "Graphic Novel" tun sich die Partizipanten schwer, was nicht weiter überrascht - schließlich konnte man sich bislang selbst in ihrem Herkunftsland, den Vereinigten Staaten, noch nicht auf brauchbare Maßstäbe einigen. Stefan Hauck wendet sich zunächst an Frau Schiefer, die sich redlich bemüht, sich der Materie deskriptiv zu nähern. Sie weiß, dass der legendäre US-Autor Will Eisner den Begriff "Graphic Novel" geprägt haben soll, spricht von "anspruchsvollen" Comics mit "einer gewissen Dicke," von "Einzelbänden" und "Autorencomics," und sie will auch Biographien nicht ausschließen. Die Herren Hauck und Volkmer einigen sich danach allerdings darauf, dass es sich auch bei Neil Gaimans Sandman "ganz eindeutig" um eine Graphic Novel handele. Schiefer nickt zustimmend, auch wenn Sandman natürlich weder ein Autorencomic und schon gar kein Einzelband ist.
Dass "Graphic Novel" frei übersetzt etwa so viel bedeutet wie "Comic-Roman," unterschlagen die Herrschaften leider. Auch, dass David Basler zur Klärung nicht viel beizutragen hat, überrascht kaum, denn der verkauft ja eigentlich Alben und braucht sich keine Sorgen darum zu machen, was andere Leute sich unter einer "Graphic Novel" vorstellen. So bleibt der Erkenntnisgewinn leider gering, aber das kann man - schließlich erfand Eisner der Legende nach den Terminus "Graphic Novel" Ende der Siebziger Jahre, um sein Werk A Contract with God einem "ernsthaften" Verlagshaus schmackhaft zu machen, und dabei handelt es sich genaugenommen nicht um einen "Roman in Comicform," sondern, wie der vollständige Titel A Contract with God and Other Tenement Stories andeutet, um eine Sammlung von Comic-Kurzgeschichten. Die Verwirrung hat also Tradition, und daran wird sich in absehbarer Zeit wohl auch nichts ändern.
Weiteres Thema ist die Auswirkung der Schwemme von Comicverfilmungen, die seit einigen Jahren anhält. Volkmer erklärt, dass in der Regel einen Monat vor Anlaufen des entsprechenden Films ein Anstieg der Comicverkäufe zu beobachten sei, welcher bis kurz nach dem Anlaufen anhalte. Nachhaltige Auswirkungen seien allerdings eher selten. Der Idee gegenüber, Comics in Buchhandlungen nicht in gesonderten Abteilungen anzubieten, sondern bei den verschiedenen Prosa-Genres einzuordnen, zeigt sich Schiefer skeptisch - dies würde das Comic-Angebot "entkernen," denn die geneigte Kundschaft erwarte einen gesonderten Comic-Bereich. Ferner würden Comic-Adaptionen bei Thalia generell nicht zusammen mit ihren Romanvorlagen präsentiert; dies habe in der Vergangenheit nicht funktioniert, und es bliebe daher die Ausnahme.
Ein gutes Titelbild allein wird bei Herrn Haucks Nachfrage nach dem "idealen Cover" von Herrn Volkmer weniger wichtig eingestuft als die Gesamtaufmachung eines Buches, welche einen Ausdruck seiner "Wertigkeit" darstelle. Besonders ansprechend in ihrer Wirkung seien Hardcover-Bände oder Cover, die mit Prägungen oder sonstigen Gimmicks verziert sind. Volkmer hebt die Bedeutung des Buchrückens besonders hervor, der im Regal - ob beim Händler oder zuhause - oft einen ersten Eindruck des Werkes vermittele und von Panini insbesondere dazu eingesetzt werde, Roman-Adaptionen für das Publikum als solche deutlich erkennbar zu machen, etwa durch die Hervorhebung des Autors. David Basler erwähnt, dass kleinere Verlage wie der seine praktisch keine Chance hätten, bei einer Kette wie Thalia unterzukommen - man sei im Buchhandel auf Ansprechpartner angewiesen, die sich nicht nur eine persönliche Comic-Affinität haben, sondern auch in der Lage dazu seien, einzukaufen, was bei Großketten so gut wie unmöglich sei. Aber Basler sagt, er wisse ohnehin, dass sein Publikum "beschränkt" sei. Keiner lacht.
Bei der Frage nach dem Verhältnis zwischen Eigenproduktionen und Lizenzausgaben muß Volkmer passen, denn Eigenproduktionen gibt's im Comicprogramm von Panini ja bekanntlich eher selten. Volkmer rettet sich über die Verlegenheit, indem er Eigenproduktionen im Romanbereich erwähnt. Er gesteht ein, dass Panini, was die Eigenproduktion von Comics angeht, "vielleicht" im Hintertreffen sei im Vergleich mit anderen Verlagen. Er überwindet sein schlechtes Gewissen aber schnell und fügt hinzu, dass man nicht wirklich daran interessiert sei, daran etwas zu ändern, denn man sehe sich in erster Linie als Lizenznehmer. Basler hingegen betont, dass von zwölf Büchern, die jährlich bei der schweizer Edition Moderne erschienen, zehn Eigenproduktionen seien. Er empfiehlt geneigten Autoren allerdings, sich nicht mit bereits fertigen Arbeiten an seinen Verlag zu wenden, sondern zunächst mit einer Synopsis und Reinzeichnungen vorstellig zu werden. Es sei sehr unwahrscheinlich, dass ein abgeschlossenes Album akzeptiert werde und unverändert zur Veröffentlichung komme.
Insgesamt verwirrt die Diskussion leider häufig mehr, als dass sie erleuchtet - vor allem deshalb, weil die Teilnehmer unsauber mit grundsätzlichen Begrifflichkeiten umgehen. Dass man nicht genau erklären kann, was eine "Graphic Novel" ist, mag, wie gesagt, verzeihbar sein. Aber ob Comics nun ein "Genre" (Hauck) oder ein "Medium" (Schiefer) sind, und worin der Unterschied besteht, das hätte man schon mal erläutern können. Und warum redet Basler die ganze Zeit über "Graphic Novels," wo Comics, wie sie bei seinem Haus erscheinen, seit jeher als "Alben" bekannt sind? Der Kreis der Mühe mit den Begrifflichkeiten schließt sich, als gegen Ende der Veranstaltung aus dem Publikum die kluge Frage kommt, was "Bestseller" in diesem Zusammenhang denn eigentlich bedeute. "Bestseller" im gebräuchlichen Sinn, wie man das von Romanen und Sachbüchern kennt? Oder einfach bloß bessere Comicverkäufe als früher? Herr Volkmer und Frau Schiefer drücken sich etwas um die Antwort und werfen ein, dass in diesem Zusammenhang auch "Longseller" - Bücher mit auf lange Sicht stetigen Absatzzahlen - wichtig sind und einigen sich im Endeffekt auf ein entschiedenes "Das kommt drauf an." Nichts genaues weiss man nicht.Labels: Podiumsdiskussion
posted by Marc-Oliver um 15:59 | Permalink